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Anarchie und Demokratie

Anarchie und Demokratie 2007-06-06 10:30
Popcorn
Aus: http://www.fb18.de/mybb/showthread.php?tid=8546&pid=88623#pid88623

Demokratie ist die Überlegung, dass eine Gruppe gemeinsame Entscheidungen trifft, indem jene Entscheidungen als die Entscheidung der Gruppe getroffen werden, die von der Mehrheit unterstütz werden. D.h. die Mehrheit beherrscht hier die Minderheit. Man kann das allerdings insofern in ein Extrem treiben, als dass die benötigte Mehrheit 100% beträgt, was ein reines Konsenssystem ist - die Gruppe tut nichts, was nicht jeder in der Gruppe für gut befindet.
Nein, das ist nicht richtig. Die Mehrheit beherrscht nicht die Minderheit. Als Demokrat ist es Dein Wille, dass der Meinung der Mehrheit gefolgt wird, auch wenn sie nicht mit Deiner Meinung im einzelnen Fall nicht übereinstimmt. Natürlich gibt es in der noch Protestmittel, es bleibt einem frei Überzeugungsarbeit zu leisten, aber wer in dieser Zeit den Entschluss nicht akzeptiert und mitträgt, ist kein echter Demokrat. So lang man Demokrat in einer demokratischen Gemeinschaft ist, kann man nicht beherrscht werden.

Viele Anarchisten kritisieren nicht diese Überlegungen an sich, sondern bestimmte Eigenschaften der Gruppen, die häufig von Demokraten vorausgesetzt werden: So zum Beispiel die Idee, dass es eine einzige große Gruppe gibt („Staat“), in der man zwangsweise Mitglied ist, und die ein Gebiet beansprucht,

Eine Kritik über die man sicherlich sehr ausführlich diskutieren kann. Besonders an dem Punkt, an dem man sich darüber unterhält, wie so etwas in der Praxis überhaupt aussehen könnte. Eine Einteilung in Gebiete unterschiedlicher Staatsformen gibt es jetzt ja schon auf der Welt. Unterschiedliche Staatsformen auf gleichem Gebiet? Mir scheint, die Lösung mit dem Mehrheitsentschluß ist der befriedigendste Weg, der uns zur Verfügung steht.

Dagegen werden kleinere und flexiblere Gruppen vorgeschlagen, die sich zweckorientiert bilden, und sich natürlich koordinieren können.
Also ein Straßenblock Anarchisten, der nächste Kommunisten, dann wieder Demokraten, dazwischen ein Diktator. So. Die brauchen ja irgendwoher Strom. Wie wird jetzt beschloßen, ob das ein Windkraftwerk, eine Solaranlage, ein Atomkraftwerk, ein Kohlekraftwerk, … wird? Die Kosten werden dann durch alle Parteien gleichmäßig geteilt? Haben denn alle die gleichen Mittel? Was passiert bei Schäden? Wer stellt welches Personal? Blickt man auf die endlose Reihe von Fragen die in der Praxis auftauchen, landet man doch letztlich zwangsweise immer wieder bei demokratischen Lösungen.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-06 15:26
Anarch
Als Demokrat ist es Dein Wille, dass der Meinung der Mehrheit gefolgt wird, auch wenn sie nicht mit Deiner Meinung im einzelnen Fall nicht übereinstimmt.

Ja. Deswegen bin ich ja auch kein Demokrat. ;-)

Besonders an dem Punkt, an dem man sich darüber unterhält, wie so etwas in der Praxis überhaupt aussehen könnte.

Anarchosyndikalisten nennen ihre Gruppen Syndikaten und Arbeiterbörsen (Terminologie aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, hat nichts mit den heutigen Börsen zu tun). In Syndikaten schließen sich die Produzenten (Arbeiter) einer Richtung zusammen (Programmierer, Maurer, etc.). Es kann natürlich mehrere Syndikate auch für die gleiche Richtung geben, ähnlich wie es mehrere Gewerkschaften gibt („Syndikat“ kommt aus dem Französischen und heißt (hieß?) Gewerkschaft). Syndikate sind für gewöhnlich auch ortsgebunden. Die Syndikate organisieren ihre Fabriken bzw. das Äquivalent selbst. In den Arbeiterbörsen schließen sich die Konsumenten einer Region zusammen (und auch hier wieder, es kann mehrere Arbeiterbörsen geben, Zugehörigkeit ist nicht zwangsweise, etc.). Die Arbeiterbörsen entscheiden über den Bedarf der dort zusammengeschlossenen Konsumenten, kommunzieren diesen Bedarf an die Syndikate, diese versuchen den Bedarf zu decken.

Wie du siehst, innerhalb der Syndikate und Arbeiterbörsen ist die Organisation durchaus demokratisch (die können sich das selbst aussuchen, es kann auch konsensbasierte Syndikate/ABs geben, nur 2/3tel, etc.). Der Unterschied zur parlamentarischen Demokratie ist, dass es keine Zwangsmitgliedschaft gibt, und man bei einem Beschluss, der einem nicht passt, sich mit anderen anderweitig zusammenschließen kann.

Kein AB kann einem Syndikat etwas befehlen. Man einigt sich (vergleichbar mit einem Vertrag zwischen zwei Firmen/Staaten, bei denen auch nicht eine Seite der Anderen sagt, was jetzt zu tun ist, sondern man sich eben einigt) und führt das dann durch.

Wie gesagt, die Idee der Anarchosyndikalisten. Gibt noch andere. ;-)

Also ein Straßenblock Anarchisten, der nächste Kommunisten, dann wieder Demokraten, dazwischen ein Diktator. So. Die brauchen ja irgendwoher Strom. Wie wird jetzt beschloßen, ob das ein Windkraftwerk, eine Solaranlage, ein Atomkraftwerk, ein Kohlekraftwerk, … wird?

Ziemlich genau so wie in einer parlamentarischen Demokratie: Es setzen sich Menschen zusammen und diskutieren das aus. Im Unterschied zu einer parlamentarischen Demokratie sind das Menschen, die von der Entscheidung betroffen sind, und es wird nicht einer Gruppe das Kohlekraftwerk im Hinterhof aufgedrückt, nur weil da weniger Leute sind als in einer anderen Gruppe.

„Entscheidungsfindung“ (eigentlich: Vertragsaushandlung) unter sehr vielen Menschen wird übrigens für gewöhnlich auch über Representanten durchgeführt, mit dem Unterschied, dass diese einem imperativen Mandat unterliegen, d.h. sie repräsentieren wirklich den Willen der sie entsendenden Gruppe. Wenn der Repräsentant mit diesem Willen keine Lösung findet, muss er zurück und sich neue Anweisungen holen - er kann nicht für die Gruppe etwas entscheiden, was gegen deren Willen war, egal wie viele „Sachgründe“ er so findet.

Blickt man auf die endlose Reihe von Fragen die in der Praxis auftauchen, landet man doch letztlich zwangsweise immer wieder bei demokratischen Lösungen.

Demokratie ist ja auch toll! Das Problem ist nicht die Demokratie, sondern die parlamentarische Demokratie und die „Demokratie“ in einem Staat.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-06 16:37
Popcorn
Ziemlich genau so wie in einer parlamentarischen Demokratie: Es setzen sich Menschen zusammen und diskutieren das aus. Im Unterschied zu einer parlamentarischen Demokratie sind das Menschen, die von der Entscheidung betroffen sind, und es wird nicht einer Gruppe das Kohlekraftwerk im Hinterhof aufgedrückt, nur weil da weniger Leute sind als in einer anderen Gruppe.
Erläuter mir das doch mal an einem Beispiel. Es geht um die Arbeitszeit für Krankenpfleger. Wer nimmt daran teil und wie soll die Ergebnisfindung aussehen, wenn es einfach nur mal zwei Meinungen gibt.


Demokratie ist ja auch toll! Das Problem ist nicht die Demokratie, sondern die parlamentarische Demokratie und die „Demokratie“ in einem Staat.
Na ja, ich meine schon auch die repräsentative, parlamentarische Demokratie. Zumindest in einer komplexen, hoch spezialisierten Welt wie der unsrigen.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-06 17:39
Anonymer User
@Anarch Ich dachte du seist kein Syndikalist? Wundert mich schon etwas, dass du mit deren Thesen argumentierst, auch wenn du erwähnst, dass es noch andere gibt. [21]

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 12:57
Anonymer Abuser
Und ich wüsste vom lieben Anarch sehr gerne, womit er es begründen will, dass Menschen auch dann was essen sollen wenn sie arbeiten.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 14:34
Anarch
Ziemlich genau so wie in einer parlamentarischen Demokratie: Es setzen sich Menschen zusammen und diskutieren das aus. Im Unterschied zu einer parlamentarischen Demokratie sind das Menschen, die von der Entscheidung betroffen sind, und es wird nicht einer Gruppe das Kohlekraftwerk im Hinterhof aufgedrückt, nur weil da weniger Leute sind als in einer anderen Gruppe.
Erläuter mir das doch mal an einem Beispiel. Es geht um die Arbeitszeit für Krankenpfleger. Wer nimmt daran teil und wie soll die Ergebnisfindung aussehen, wenn es einfach nur mal zwei Meinungen gibt.

Das Krankenhaus wird von den „Arbeitern“ (d.h. Ärzten, Krankenpfleger, technisches Personal, etc.) im Krankenhaus verwaltet. Die setzen sich zusammen und überlegen, wie sie das mit der Arbeitszeit regeln—oder eher, wieviel die Krankenpfleger bereit sind zu arbeiten. Wenn zu wenig Krankenpfleger vorhanden sind, muss man eben eine Lösung finden: Eventuell sind einige bereit, besonders lange zu arbeiten. Falls ich anwesend wäre, würde ich vorschlagen, dass man mal mehr Krankenpfleger sucht, wenn die existierenden nicht ausreichen. Ist sowieso besser mehr als minimal nötig zu haben.

@Anarch Ich dachte du seist kein Syndikalist? Wundert mich schon etwas, dass du mit deren Thesen argumentierst, auch wenn du erwähnst, dass es noch andere gibt.

„Ich bin kein Syndikalist” heißt für mich in erster Linie, dass ich den Syndikalismus nicht für mich persönlich als die beste Variante der Organisation sehe. Es ist aber eine wirklich nette Organisationsform, und in meinen Augen auch sehr anarchistisch. Du wirst mich auch Beispiele von Mutualisten benutzen sehen, und das, obwohl ich mich auch nicht als Mutualisten bezeichnen würde. In beiden Fällen würde ich vielleicht auch andere Organisationsformen vorschlagen, wenn es soweit kommt, aber wenn eine Gruppe sich so organisieren will, habe ich damit kein Problem.

Hier habe ich den Syndikalismus als Beispiel genommen, weil ich ihn auch als anarchistisch sehe, er sehr demokratie-nah aufgebaut ist, und die Theorie (und Praxis :-)) sehr gut ausformuliert ist. Anarcho-Kommunistische Ideen haben weniger diese schönen Namen (Syndikat, Arbeiterbörse, etc.) und Aufgaben für diese Organisationsformen, sondern eher ein „dann müssen wir eben darüber reden“ – und das, was mich am Syndikalismus am ehesten stört, ist dieses sehr definite „wie es denn dann gemacht wird,“ wo ich lieber die betroffenen Leute direkt entscheiden lassen würde. Syndikalismus ist eine (gar nicht mal schlechte) Option, aber nicht die einzige Option. Aber mit „naja, wir schauen mal, wie wir uns organisieren wollten“ lässte sich nur ganz schlecht argumentieren. :-)

Und ich wüsste vom lieben Anarch sehr gerne, womit er es begründen will, dass Menschen auch dann was essen sollen wenn sie arbeiten.

Ich finde auch arbeitende Menschen haben ein Recht auf Leben. Also, auch wenn jemand arbeitet, und selbst wenn er es gerne tut, hat er ein Recht darauf genug zu Essen zu bekommen. Nur weil er arbeitet, kann man ihm dieses Recht nicht einfach absprechen.

;-)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 14:50
Anonymer Abuser
Und ich wüsste vom lieben Anarch sehr gerne, womit er es begründen will, dass Menschen auch dann was essen sollen wenn sie arbeiten.

Ich finde auch arbeitende Menschen haben ein Recht auf Leben. Also, auch wenn jemand arbeitet, und selbst wenn er es gerne tut, hat er ein Recht darauf genug zu Essen zu bekommen. Nur weil er arbeitet, kann man ihm dieses Recht nicht einfach absprechen.

;-)
So leicht entkommst du mir nicht, mein Lieber. :-p

Du hast dieses Prinzip selbst mal erwähnt. Du weißt, wie es gemeint ist. Es geht nicht darum Arbeitslosen das Essen zu verbieten. Es geht darum zu fragen, mit welcher Berechtigung ein Arbeitsloser einem Arbeitenden einen Teil seines Lohnes nehmen darf um sich selbst zu ernähren ohne was dafür getan zu haben. Denn das ist die Folge des von dir vertretenen Prinzips. Dabei sollte man global denken, die Frage ist bewusst abstrakt formuliert. Wenn ich dich richtig verstehe würdest du kritisieren, dass die erste Welt den Hunger in Afrika nicht beendet, obwohl die Mittel dafür da wären. Und ich frage dich, warum wir Millionen und in Zukunft dann Milliarden Afrikaner durchfüttern müssen, von denen die meisten nichts anderes machen als Kinder in die Welt zu setzen für die wir dann wiederum noch härter arbeiten müssen! Und das ist keine bösartige Polemik. Wenn man seine rosarote Brille ablegt und sich ernsthaft mit Afrika beschäftigt und den Menschen dort nicht immer gleich arroganterweise einen Opferstempel aufdrückt, dann sieht man schnell, dass das die bittere Wahrheit ist.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 15:02
Popcorn
Das Krankenhaus wird von den „Arbeitern“ (d.h. Ärzten, Krankenpfleger, technisches Personal, etc.) im Krankenhaus verwaltet. Die setzen sich zusammen und überlegen, wie sie das mit der Arbeitszeit regeln—oder eher, wieviel die Krankenpfleger bereit sind zu arbeiten. Wenn zu wenig Krankenpfleger vorhanden sind, muss man eben eine Lösung finden: Eventuell sind einige bereit, besonders lange zu arbeiten. Falls ich anwesend wäre, würde ich vorschlagen, dass man mal mehr Krankenpfleger sucht, wenn die existierenden nicht ausreichen. Ist sowieso besser mehr als minimal nötig zu haben.
Okay, solche Angelegenheiten werden also in der Belegschaft intern geregelt, keine Vorgaben von irgendwelchen Parlamentariern, weil die mit der Sache nichts direkt am Hut haben. Es ist also nichts mit einem globalen Auferlegen einer 40-Stunden-Woche. Wenn das Krankenhaus wollte und in der Umgebung das einzige ist, könnte es also intern auch beschließen, die Preise zu verdoppeln und die Lage der Kranken so ausnutzen? Da wird es im Anarchismus doch auch irgendein Schutzinstrumentarium gegen geben?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 15:12
Anarch
Es geht nicht darum Arbeitslosen das Essen zu verbieten. Es geht darum zu fragen, mit welcher Berechtigung ein Arbeitsloser einem Arbeitenden einen Teil seines Lohnes nehmen darf um sich selbst zu ernähren ohne was dafür getan zu haben.

Da wir gerade im Thread über Anarchie sind: Ein Arbeiter hat keinen "Lohn", den man ihm "wegnehmen" kann. Eine Gruppe entscheidet, was mit der Produktion passiert, die sie gemacht hat. Wenn diese Gruppe denjenigen, der nichts tut unterstützen möchte, ist das deren Sache.

Ganz nebenbei sollte man noch erwähnen, dass die wenigsten Menschen nichts tun wollen. Probleme gibt es häufiger eher damit, dass Menschen für das, was sie tun wollen, eben kein Geld bekommen, um sich was zu essen zu kaufen. Und das liegt nicht unbedingt daran, dass es eben niemandem „etwas wert ist“, was diese Person tut, sondern meist eher daran, dass Geld halt knapp ist (sonst wäre es wertlos). Marktwirtschaft funktioniert meines Erachtens einfach nicht, da sie künstliche Knappheit forciert.

Aber, ich hatte sie oben schon angesprochen, Mutualisten (nach Proudhon) halte ich für durchaus anarchistisch, und die finden Marktwirtschaft echt knorke. Bei denen löst sich das Problem mit der künstlichen Knappheit über ein Nullsummenspiel. Keine Ahnung, ob das funktioniert (ich habe verschiedenes gehört), aber wenn sich jemand so organisieren möchte, auch gut

Wenn ich dich richtig verstehe würdest du kritisieren, dass die erste Welt den Hunger in Afrika nicht beendet, obwohl die Mittel dafür da wären. Und ich frage dich, warum wir Millionen und in Zukunft dann Milliarden Afrikaner durchfüttern müssen, von denen die meisten nichts anderes machen als Kinder in die Welt zu setzen für die wir dann wiederum noch härter arbeiten müssen!

Das Problem ist, dass „wir“ leider nicht ganz unschuldig an der Misere in Afrika und anderswo sind. Ganz im Gegenteil, dank globaler Konkurrenz haben wir es geschafft die lokale Selbstversorgung recht nachhaltig zu stören. Dank Militärexport haben wir dort einigen sehr angenehmen Zeitgenossen (sie finanzieren unseren Wohlstand!) etwas viel bumm-bumm gegeben, mit dem sie uns billig mit Gold und anderem Schnickschnack versorgt haben. So Kleinkram. Aber sind ja selber Schuld, die bösen Afrikaner, was lassen sie sich auch von uns kolonialisieren, nicht?

Sich jetzt hinzusetzen, das alles auch noch weiterzumachen, und dann zu sagen „wieso sollte ich etwas von MEINEM HART VERDIENTEN GELD abgeben“ halte ich für reichlich kurzsichtig, was die globalen Zusammenhänge angeht.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 15:26
Anonymer Abuser
Marktwirtschaft funktioniert meines Erachtens einfach nicht, da sie künstliche Knappheit forciert.
Du hast eine sehr seltsame Vorstellung davon was "nicht funktionieren" bedeutet. Wir leben in diesem System. Das ist das entscheidende. Wir leben. Also funktioniert es. Irgendwelche Schwachstellen hat jedes System.

Das Problem ist, dass „wir“ leider nicht ganz unschuldig an der Misere in Afrika und anderswo sind. Ganz im Gegenteil, dank globaler Konkurrenz haben wir es geschafft die lokale Selbstversorgung recht nachhaltig zu stören.
Die lokale Selbstversorgung wird weniger durch die globale Konkurrenz und mehr durch die Hilfslieferungen an Nahrungsmitteln zerstört. Unglaublich aber wahr.

Dank Militärexport haben wir dort einigen sehr angenehmen Zeitgenossen (sie finanzieren unseren Wohlstand!) etwas viel bumm-bumm gegeben, mit dem sie uns billig mit Gold und anderem Schnickschnack versorgt haben. So Kleinkram. Aber sind ja selber Schuld, die bösen Afrikaner, was lassen sie sich auch von uns kolonialisieren, nicht?
Die angenehmen Zeitgenossen finanzieren sich vor allen Dingen ihre eigenen Paläste! Und die Waffenlieferungen sind nicht die Ursache für die Gewalt da drüben sondern Symptom. Sonst würden sie sich halt gegenseitig mit Buschmessern aufschlitzen.
Und angesichts des Elends frage ich mich durchaus, warum die Leute sich das alles gefallen lassen. Zu verlieren haben sie eh nichts. Ich würde lieber kämpfend sterben als elendig in einem Drecksloch dahinzusiechen und mich ausbeuten zu lassen.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 15:29
Anarch
Wenn das Krankenhaus wollte und in der Umgebung das einzige ist, könnte es also intern auch beschließen, die Preise zu verdoppeln und die Lage der Kranken so ausnutzen?

Vorsicht mit dem Wort „Preis“ – das muss es nicht unbedingt geben. Aber ja, falls es ein Krankenhaus in einer Gegend ist, die sich mit Marktwirtschaft abgeben (z.B. Mutualisten), könnten sie die Preise festlegen wie sie wollen.

Da wird es im Anarchismus doch auch irgendein Schutzinstrumentarium gegen geben?

Die Krankenhausbelegschaft sollte auf den Treffen der zugehörigen Wohnungen/Dörfer/Städte vorhanden sein, bzw. selbige können zu den Treffen der Krankenhausbelegschaft kommen. Falls das zu viele sind, auch Vertreter mit imperativem Mandat. Dort kann man Probleme ansprechen, z.B. dass das Krankenhaus drei Krankenpfleger hat, die nur 20 Stunden die Woche arbeiten wollen, und man damit leider keinen 24/7-betrieb aufrecht erhalten kann. Als Lösung würde sich anbieten, dass noch 2-3 weitere Leute für 20h/Woche dort arbeiten, um das auszugleichen.

Falls sich partou niemand findet, der da arbeiten kann, falls die Belegschaft partou nicht bereit ist, zumindest für eine Übergangsphase mehr zu arbeiten, um die Qualität aufrechtzuerhalten, bis man halt wen gefunden hat, der dort noch mitmacht (z.B. in Nachbarorten), muss man halt mit den Nachteilen leben.

Zu Mehrarbeit unter Androhung des Hungertodes wird jedenfalls niemand gezwungen.

Ich habe hier irgendwo noch einen Text liegen, in dem so ein Treffen innerhalb der Spanischen Revolution beschrieben wird. Falls dich das interessiert, suche ich den raus.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 15:41
Anarch
Marktwirtschaft funktioniert meines Erachtens einfach nicht, da sie künstliche Knappheit forciert.
Du hast eine sehr seltsame Vorstellung davon was "nicht funktionieren" bedeutet. Wir leben in diesem System. Das ist das entscheidende. Wir leben. Also funktioniert es. Irgendwelche Schwachstellen hat jedes System.

Ich spreche allerdings nicht von „irgendwelchen Schwachstellen“, sondern von systematischen Fehlern, die täglich Menschenleben kosten. Und wenn das, also das tägliche Sterben von Menschen aufgrund der Durchführung eines Systems, eine „seltsame Vorstellung von nicht funktionieren“ ist, ja, dann habe ich wohl eine seltsame Vorstellung davon.

Aber wie gesagt, eventuell ist Marktwirtschaft gar nicht so problematisch, wenn man die Geldschaffungsproblematik löst. Käme auf einen Versuch an.

Die lokale Selbstversorgung wird weniger durch die globale Konkurrenz und mehr durch die Hilfslieferungen an Nahrungsmitteln zerstört. Unglaublich aber wahr.

Das ist halb richtig. Die Hilfslieferungen wurden aus diesem Grund schon seit längerem in großen Teilen auf Geldlieferungen geändert, damit der lokale Markt gestärkt wird. Leider hat es sich mittlerweile in vielen Bereichen so entwickelt, dass importierte Nahrung günstiger ist, als die lokal angebaute Nahrung. Das sorgt dafür, dass die Bauen pleite gehen, ihr Land verkaufen müssen, und somit auch keine Hoffnung besteht, dass sie demnächst mal wieder die Versorgung in die Hand nehmen können. Diese Staaten gehen wirtschaftlich zu Grunde, nehmen (aus verschiedenen Gründen) Kredite bei anderen Ländern bzw. der Weltbank auf, und dürfen dann zum „ausbessern“ dieser Kredite Freihandelszonen einrichten oder auch so geniale marktwirtschaftliche Errungenschaften einführen wie privatisiertes Wasser.

Es gibt Staaten, in denen ist es verboten Regenwasser aufzufangen um es zu trinken, weil man damit den Profit der Wasserfirmen ankratzt.

Aber in diesem Punkt stimme ich dir und Khrushchev voll und ganz zu: “Support by United States rulers is rather in the nature of the support that the rope gives to a hanged man.” (Wobei man hier “United States” gerne auf “Western World” erweitern darf)

Die angenehmen Zeitgenossen finanzieren sich vor allen Dingen ihre eigenen Paläste! Und die Waffenlieferungen sind nicht die Ursache für die Gewalt da drüben sondern Symptom. Sonst würden sie sich halt gegenseitig mit Buschmessern aufschlitzen.

Die Waffenlieferungen verschieben die Balance gewaltig, wodurch die Quantität dieser Morde sich massiv erhöht.

Und angesichts des Elends frage ich mich durchaus, warum die Leute sich das alles gefallen lassen. Zu verlieren haben sie eh nichts. Ich würde lieber kämpfend sterben als elendig in einem Drecksloch dahinzusiechen und mich ausbeuten zu lassen.

Typisch menschliche Reaktion, würde ich sagen: Man hofft, dass es gleich rum ist, bis man sich vor Hunger kaum noch auf den Beinen halten kann und der Typ gegenüber nicht nur ein Buschmesser, sondern einen Panzer hat.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 16:10
Anonymer User
Du hast dieses Prinzip selbst mal erwähnt. Du weißt, wie es gemeint ist. Es geht nicht darum Arbeitslosen das Essen zu verbieten. Es geht darum zu fragen, mit welcher Berechtigung ein Arbeitsloser einem Arbeitenden einen Teil seines Lohnes nehmen darf um sich selbst zu ernähren ohne was dafür getan zu haben.
Warum finanziert heutzutage ein gut verdienender Arbeitnehmer zwei oder mehr Arbeitslose? Weil die auch etwas zum Überleben brauchen.
Warum haben Einzelpersonen so einen riesigen Stapel Geld, dass davon sehr viele andere leben könnten? Ob du jetzt Bill Gates nimmst, die Aldichefs oder einen "normalen" Multimillionär ist da ziemlich egal.
Warum wird hierzulande Milch in die Meere gekippt, statt es an Menschen zu liefern, die es gebrauchen könnten?
Fragen über Fragen.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 18:33
Faleiro
Was ich daran nicht verstehe, ist, wie das ohne Zwang funktionieren kann. So wie ich unsere bisherige Gesellschaftsordnung verstehe, werden wir durch ein kuenstliches System von Zwaengen zur Disziplin gezwungen, welche Grundlage des Funktionierens ist.

1. Was ist, wenn die Pfleger einfach nicht zur Arbeit erscheinen? Weil sie die Nacht durchgesoffen haben (nix gegen's Saufen) oder schlicht heute keine Lust haben? Ich meine, das wirkliche Problem ist doch nicht die klare und verlaessliche Aussage "ich will nur 20h/Woche arbeiten", sondern "ich arbeite 20h/Woche", dann aber nur sporadisch erscheinen und unregelmaessig lange bleiben.

Wie soll man so planen bzw. wie wird dieses Verhalten ausgeschlossen? In der realen Welt dadurch, dass in den Pflichten des Arbeitnehmers niedergelegt ist (bzw. durch Rechtsprechung und Kultur vorgegeben), dass solches Verhalten Konsequenzen hat. Abmahnung, Entlassung. Schlechtes Zeugnis. Geldentzug, Abzug der Ferientage, whatever.

Daraus ergibt sich ein recht starker Anreiz fuer jeden Teilnehmer, dass (abstrakt ausgedrueckt) "alles wie geplant ablaeuft".

2. In der job description eines Arbeitnehmers (reale Welt) ist auch niedergelegt (oder eben auch durch Gewohnheiten und Rechtsprechnung festgelegt), welche Arbeiten zu seinem Job gehoeren. Z.B. eben auch mal Darmausraeumen oder Windelnwechseln oder OP desinfizieren fuer Pfleger, auch wenn er auf diese Taetigkeiten gut verzichten koennte. ;)

Was macht das System mit einem Pfleger, der sich sagt, och, ohne Konsequenzen sag ich einfach mal, ich bin zwar gerne Pfleger, aber auf die ekligen Taetigkeiten hab ich heute keine Lust.

3. Wenn diese Ausfaelle eben nicht vorher bekannt sind, sondern ein gelangweilter Pfleger einfach kein Bock hat, nach der Raucherpause wieder reinzukommen, wo jede Menge Arbeit liegt (wimmernd ;), was macht man dann? Setzen sich alle zusammen und "schmeissen ihn raus" und schreiben ihn auf ne Blacklist?

Oder hat der Pfleger am Ende doch so etwas wie einen Vertrag unterschrieben, in dem seine Pflichten stehen? Wieso sollte er diesen unterschreiben, wo er doch durch diese Unterschrift nur zu verlieren hat, nicht aber zu gewinnen?


Versteh mich nicht falsch, ich will das System nicht plattreden, ich finde das ganz interessant.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 19:43
Marrow
Wie ist denn z. B. die freiwillige Feuerwehr organisiert? Die funktioniert ja auch irgendwie.

Ich frage mich, ob die Masse der Menschen arbeiten würde oder nur einige wenige. Auch wie ungünstige Verteilungen (viel zu viele Architekten, zu wenige Maurer) vermieden werden können.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 19:54
Anonymer User
Was ich daran nicht verstehe, ist, wie das ohne Zwang funktionieren kann. So wie ich unsere bisherige Gesellschaftsordnung verstehe, werden wir durch ein kuenstliches System von Zwaengen zur Disziplin gezwungen, welche Grundlage des Funktionierens ist.

Der Ansporn zu etwas kann aus Angst vor Strafe kommen. Das sorgt für Minimalleistungen.
Oder er kommt von dem Willen, etwas zu tun. Das sorgt für gewöhnlich für recht große Anstrengungen.

Die Überlegung, dass die ganzen Menschen da draußen nur tun, was sie tun, weil sie sonst verhungern würden, ist nicht ganz unverbreitet, aber ich finde ihn nicht nachvollziehbar. Also, egal wo ich bisher gearbeitet habe, war es eigentlich nicht die Angst vorm Verhungern oder vorm Rauswurf, der die Leute dazu getrieben hat etwas zu tun, sonder der Wunsch, dass man etwas (er)schafft, dass das, was man tut, gut wird. Und zwar wirklich egal wo.

Und wo es hier die ganze Zeit um Krankenpfleger geht: Der Rettungsdienst in Deutschland besteht übrigens zu großen Teilen aus freiwilligen, aus ehrenamtlichen. Die müssten nicht mal arbeiten, tun es aber trotzdem. Die bekommen einen Hungerlohn dafür, und trotzdem spendieren sie einen Teil ihrer Freizeit, teilweise machen sie nur einen Nebenjob dazu um zu überleben.

1. Was ist, wenn die Pfleger einfach nicht zur Arbeit erscheinen? Weil sie die Nacht durchgesoffen haben (nix gegen's Saufen) oder schlicht heute keine Lust haben? Ich meine, das wirkliche Problem ist doch nicht die klare und verlaessliche Aussage "ich will nur 20h/Woche arbeiten", sondern "ich arbeite 20h/Woche", dann aber nur sporadisch erscheinen und unregelmaessig lange bleiben.

Was passiert zur Zeit?

Der Pfleger wird abgemahnt. Bei Wiederholung wird er rausgeworfen.

Warum wird er rausgeworfen, wenn er immerhin ab und zu arbeitet? Wenn er auftaucht, könnte jemand anders frei bekommen, oder man macht was zu Zweit, was dann leichter geht.

Warum wird das nicht gemacht? Weil das Geld fehlt, um halt jemanden "etwas mehr" anzustellen. Das Geld fehlt allerdings beim Krankenhaus, nicht bei der Gemeinschaft, die denjenigen durchaus auch ein Leben finanzieren kann.

Und zu keinem Zeitpunkt wird zur Zeit gefragt, was eigentlich das Problem ist. Zu keinem Zeitpunkt kann der Krankenpfleger mal mit seinen Kollegen reden und vielleicht eine Lösung finden, wie alle zufrieden sind. Eben weil von außen Regeln aufgedrückt werden, die man zu befolgen hat, egal, ob diese sinnvoll sind oder nicht.

Daraus ergibt sich ein recht starker Anreiz fuer jeden Teilnehmer, dass (abstrakt ausgedrueckt) "alles wie geplant ablaeuft".

Da ich mal in einem Krankenhaus gearbeitet habe: Die Leute dort machen das, weil es ihnen Spaß macht. Sie machen mehr, als sie müssten (und als sie bezahlt bekommen), weil es nunmal gemacht werden muss. Nach deiner Theorie dürfte das nicht passieren. Wie kommt es dazu?

Was macht das System mit einem Pfleger, der sich sagt, och, ohne Konsequenzen sag ich einfach mal, ich bin zwar gerne Pfleger, aber auf die ekligen Taetigkeiten hab ich heute keine Lust.

Eine Lösung finden. Zum Beispiel, indem man darüber spricht, wo denn das Problem heute liegt. Sowas gehört nunmal zum Krankenpflegersein dazu.

Was übrigens auch durchaus funktioniert ist, dass man sich darauf einigt, dass jemand halt keine Windeln wechselt, weil er da nicht mit zurechtkommt, dafür aber halt für jemanden anders häufiger die Wäsche aus dem Keller holt. Das passiert heute schon, weil Menschen kommunzieren und miteinander reden, egal, ob es Regelungen gibt, die das erlauben oder nicht.

3. Wenn diese Ausfaelle eben nicht vorher bekannt sind, sondern ein gelangweilter Pfleger einfach kein Bock hat, nach der Raucherpause wieder reinzukommen, wo jede Menge Arbeit liegt (wimmernd ;), was macht man dann? Setzen sich alle zusammen und "schmeissen ihn raus" und schreiben ihn auf ne Blacklist?

Durchaus als unzuverlässig markieren, warum auch nicht. Dann bekommt er halt nichts mehr zu tun, das dringend gemacht wird. Schaut man halt, dass jemand anders dazukommt.

Wie oben gesagt: Der Unterschied ist, dass man nicht gezwungen ist, mit der einen Stelle auszukommen, sondern dass man den halt zusätzlich haben kann, wenn man es denn möchte.

Oder hat der Pfleger am Ende doch so etwas wie einen Vertrag unterschrieben, in dem seine Pflichten stehen? Wieso sollte er diesen unterschreiben, wo er doch durch diese Unterschrift nur zu verlieren hat, nicht aber zu gewinnen?

Verträge im gegenseitigen Einvernehmen sind kein Problem, sie stellen keine Herrschaft, keine Hierarchie da.

Lass mich nochmal unterstreichen, wo der wichtige Hauptunterschied liegt, den ich glaube bisher noch nicht richtig rübergebracht habe: Das Krankenhaus gehört nicht irgend einer dritten Instanz, es gibt keinen außenstehenden, der entscheidet, was passiert. Das Krankenhaus wird von den dort arbeitenden Menschen verwaltet (gerne auch demokratisch). Wenn ein Krankenpfleger dort arbeitet, gehört er zu diesen Menschen dazu, die das Krankenhaus verwalten. Wenn er ein Problem mit seiner Arbeit hat, kann er das anbringen und mit anderen lösen. Er diskutiert bei Problemen mit und entscheidet auch mit den Anderen, wie dieses Krankenhaus funktionieren soll.

Wenn jemand in so einem Szenario eben wiederholt unzuverlässig ist, dann bekommt er das von der Gruppe auch so gesagt, und eben keine kritischen Funktionen mehr zugewiesen.

Versteh mich nicht falsch, ich will das System nicht plattreden, ich finde das ganz interessant.

Ja, ich bemühe mich auch das zu erklären. Das Lustige ist, dass einige der Probleme, die andere damit sehen, für mich ziemlich unverständlich sind. Viele der Missverständnisse beruhen auch auf einer unterschiedlichen Vorstellung, was Herrschaftsfreiheit und Selbstverwaltung bedeutet. Da wird dann vermutet, dass das ganze total anders aussehen muss, weil es ja keine "Herrschaft" mehr gibt - und dabei wird Herrschaft mit allen Einschränkungen gleichgesetzt, egal, ob diese freiwillig oder unfreiwillig sind, etc. Dabei muss das gar nicht mal anders aussehen.

Dabei ist der grundlegendste Unterschied in der Verwaltung von einzelnen Betrieben - um die es hier ja anscheinend geht - dass diese eben nicht von Managern oder Geldgebern verwaltet werden, sondern von den dort arbeitenden Menschen. Daraus ergeben sich eigentlich schon alle Änderungen.

Naja, frag ruhig weiter, ich finde das auch interessant. Es hilft ja durchaus, wenn man die eigenen Gedanken so formulieren muss, dass ein "Skeptiker" sie versteht :-)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 20:04
Anonymer User
Ich frage mich, ob die Masse der Menschen arbeiten würde oder nur einige wenige.

Ich würde vermuten, dass mehr Menschen als jetzt arbeiten, aber die meisten Menschen weniger als jetzt einer einzelnen Arbeit kontinuierlich nachgehen würden. Der Begriff "Arbeit" hier ist auch etwas schwierig.

Auch wie ungünstige Verteilungen (viel zu viele Architekten, zu wenige Maurer) vermieden werden können.

Um mal bei den Syndikalisten zu bleiben (das ganze funktioniert in anderen Theorien sehr ähnlich): Wenn die Arbeiterbörsen sagen, dass sie ein Haus brauchen, dann sagen die Maurersyndikate, dass das nicht geht, weil man mehr Maurer braucht. Müssen halt mehr Leute Maurer sein. Zum Glück dauert da die Ausbildung nicht so lange. Oder die Mitglieder der Arbeiterbörse müssen halt ohne Haus weiterleben.

In dem Text, an den ich mich erinnere, hatte die Dorfgemeinschaft ein ähnliches Problem und hat in Nachbardörfern nach Leuten gefragt, die aushelfen könnten.

Bei anderen Tätigkeiten mit längerer Ausbildung haben wir das Problem ja jetzt ähnlich: Wir haben zu viele Philosophen und zu wenig… Lehrer waren es glaube ich kürzlich. Eine Ursache davon liegt in der Marktwirtschaft, die darauf aufbaut, dass Bedarf praktisch "ausgetestet" wird und dann dynamisch angepasst wird. Das Problem ändert sich nicht, wenn die Universitäten und Schulen selbstverwaltet werden. Wenn man das Problem angehen möchte, müsste man sich glaube ich von der Marktwirtschaft verabschieden und auf eine (dezentrale!) Planwirtschaft wechseln. Wird auch nicht alle Probleme lösen, aber vermutlich näher am Ziel sein.

Zudem wäre es glaube ich günstig, wenn man sich von diesem Abschlussgedanken an der Uni verabschieden würde, aber damit bewegen wir uns etwas weit vom eigentlich Thema, glaube ich :-)

Anarch (der Beitrag oben ebenso)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-07 21:50
Popcorn
Die Krankenhausbelegschaft sollte auf den Treffen der zugehörigen Wohnungen/Dörfer/Städte vorhanden sein, bzw. selbige können zu den Treffen der Krankenhausbelegschaft kommen. Falls das zu viele sind, auch Vertreter mit imperativem Mandat. Dort kann man Probleme ansprechen, z.B. dass das Krankenhaus drei Krankenpfleger hat, die nur 20 Stunden die Woche arbeiten wollen, und man damit leider keinen 24/7-betrieb aufrecht erhalten kann. Als Lösung würde sich anbieten, dass noch 2-3 weitere Leute für 20h/Woche dort arbeiten, um das auszugleichen.
So langsam glaube ich zu verstehen. Nur das mit dem imperativen Vertreter brauche ich noch einmal erläutert. Den sucht sich eine Gemeinschaft aus und der hat darf dann auch in deren Namen Vereinbarungen treffen oder nur Informationen hin- und herkarren?

Ansonsten habe ich vor allen bzgl. der Arbeitsmoral Einwände. Ich denke auch, dass die meisten bereit sind etwas zu tun. Allerdings nur in einem sehr kleinen Umfang. Grob ausgedrückt, so weit dass sich kein schlechtes Gewissen aufbaut. Wenn freiwillige Arbeiten anfallen, sehe ich vor allen Beispiele wie "So, ich habe jetzt immerhin einen Tag mitgemacht, X hat noch gar nichts getan. Sehe ich nicht ein mehr zu machen, wenn er noch nichts getan hat.". Sprich, es findet eine Orientierung nach unten statt. Und das ist dann ein Prozess, der sich selbst beschleunigt. Es ist für mich schwer vorstellbar, das in Bezug auf Wohlstand und Technologie, eine Welt wie heute erreicht wäre oder auch nur aufrechterhalten werden könnte. Für mich klingt das nach sehr viel Armut.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 00:08
Androgyner User
Die Krankenhausbelegschaft sollte auf den Treffen der zugehörigen Wohnungen/Dörfer/Städte vorhanden sein, bzw. selbige können zu den Treffen der Krankenhausbelegschaft kommen. Falls das zu viele sind, auch Vertreter mit imperativem Mandat. Dort kann man Probleme ansprechen, z.B. dass das Krankenhaus drei Krankenpfleger hat, die nur 20 Stunden die Woche arbeiten wollen, und man damit leider keinen 24/7-betrieb aufrecht erhalten kann. Als Lösung würde sich anbieten, dass noch 2-3 weitere Leute für 20h/Woche dort arbeiten, um das auszugleichen.
So langsam glaube ich zu verstehen. Nur das mit dem imperativen Vertreter brauche ich noch einmal erläutert. Den sucht sich eine Gemeinschaft aus und der hat darf dann auch in deren Namen Vereinbarungen treffen oder nur Informationen hin- und herkarren?

Ansonsten habe ich vor allen bzgl. der Arbeitsmoral Einwände. Ich denke auch, dass die meisten bereit sind etwas zu tun. Allerdings nur in einem sehr kleinen Umfang. Grob ausgedrückt, so weit dass sich kein schlechtes Gewissen aufbaut. Wenn freiwillige Arbeiten anfallen, sehe ich vor allen Beispiele wie "So, ich habe jetzt immerhin einen Tag mitgemacht, X hat noch gar nichts getan. Sehe ich nicht ein mehr zu machen, wenn er noch nichts getan hat.". Sprich, es findet eine Orientierung nach unten statt. Und das ist dann ein Prozess, der sich selbst beschleunigt. Es ist für mich schwer vorstellbar, das in Bezug auf Wohlstand und Technologie, eine Welt wie heute erreicht wäre oder auch nur aufrechterhalten werden könnte. Für mich klingt das nach sehr viel Armut.
Popcorn hats erkannt. [14] Das System kann nur dann funktionieren, wenn die meiste Arbeit sowieso von Maschinen erledigt wird. Denn es wäre naturgemäß sehr viel weniger effektiv, als etwa der Kapitalismus in seiner heutigen Form. Das ist auch der Grund, warum dieses System nur überleben kann, wenn es weltweit eingeführt wird. Denn es könnte in Konkurrenz zu kapitalistischen Staaten nicht lange bestehen.

Das hat übrigens schon der olle Marx erkannt =>
"Die Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit ist die historische Aufgabe und Berechtigung des Kapitals."
aus "Das Kapital III"

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 14:43
Anarch
So langsam glaube ich zu verstehen. Nur das mit dem imperativen Vertreter brauche ich noch einmal erläutert. Den sucht sich eine Gemeinschaft aus und der hat darf dann auch in deren Namen Vereinbarungen treffen oder nur Informationen hin- und herkarren?

Der darf Vereinbarung treffen in dem Maße, wie es ihm beauftragt wurde. Wenn es unter den ihm aufgetragenen Rahmenbedingungen keine Einigung gibt, muss er mit seinen neuen Informationen zurück um mit der Gruppe was neues zu diskutieren. Seine Aufgabe ist also, die Gruppe zu vertreten, was die Kommunikation vieler Menschen vereinfacht. Die Aufgabe ist es jedoch nicht, für die Gruppe zu entscheiden, was denn gut ist – auch nicht nach „bestem Wissen und Gewissen.“

Ansonsten habe ich vor allen bzgl. der Arbeitsmoral Einwände. Ich denke auch, dass die meisten bereit sind etwas zu tun. Allerdings nur in einem sehr kleinen Umfang. Grob ausgedrückt, so weit dass sich kein schlechtes Gewissen aufbaut. Wenn freiwillige Arbeiten anfallen, sehe ich vor allen Beispiele wie "So, ich habe jetzt immerhin einen Tag mitgemacht, X hat noch gar nichts getan. Sehe ich nicht ein mehr zu machen, wenn er noch nichts getan hat.". Sprich, es findet eine Orientierung nach unten statt. Und das ist dann ein Prozess, der sich selbst beschleunigt. Es ist für mich schwer vorstellbar, das in Bezug auf Wohlstand und Technologie, eine Welt wie heute erreicht wäre oder auch nur aufrechterhalten werden könnte. Für mich klingt das nach sehr viel Armut.

Hm. Interessanterweise finde ich genau das Gegenteil, denn mir wird in einer Selbstverwaltung viel eher mitgeteilt, warum noch etwas zu tun ist – das heißt, mein Handeln hat einen Sinn, der mich direkt betrifft, was ich von einer Arbeit, der ich einfach nur nachgehe, weil ich halt was essen will, so nicht behaupten kann.

Aber das bin ich. Ich denke, es gibt noch mehr Menschen wie mich, aber vermutlich gibt es auch Menschen, die da anders sind. Wie oben erwähnt, gibt es durchaus auch Anarchisten, die die Marktwirtschaft toll finden und also auch Geld benutzen. Diese Mutualisten (nach Proudhon, dem Mensch mit dem “property is theft”) basieren sich hauptsächlich auf zwei Unterschieden: Erstens, der Geldschöpfung, die die Knappheit nicht mehr auf Zinsen basiert, sondern auf ein Nullsummenspiel, und zweitens auf der Abschaffung des Kapitalismus in der Form der Lohnarbeit durch abschaffung von Privateigentum an Produktionsmitteln. Das heißt, die Idee ist weiterhin die Selbstverwaltung der Betriebe durch die Arbeiter, allerdings hat man weiterhin den Ansporn des freien Marktes um sich mit Geld zu versorgen.

Das hat weiterhin einige Probleme, die ich auch im aktuellen System sehe, die man auch ähnlich angehen müsste (Grundeinkommen). Aber durch die Selbstverwaltung kann man das auch sinnvoll direkt angehen, ohne den Wahlkrampf mitzumachen, und durch die fehlende Ausbeutung (im rein Marx'schen Sinne, also Profitabzweigung nur aus Besitzgründen heraus) kann die Verteilung auch etwas weitar ab von „Sachzwängen“ geregelt werden.

Finde ich auch eine gute Möglichkeit. Nicht die, die ich wählen würde, aber wenn du das besser fändest und genug Leute findest, die dir zustimmen – wunderbar. Es gibt halt nicht „den einen Anarchismus“, sondern verschiedene Ausprägungen, die sich allerdings in einigen wenigen Punkten (und das sind meines Erachtens die wichtigen) sehr ähnlich sind.

Das System kann nur dann funktionieren, wenn die meiste Arbeit sowieso von Maschinen erledigt wird. Denn es wäre naturgemäß sehr viel weniger effektiv, als etwa der Kapitalismus in seiner heutigen Form. Das ist auch der Grund, warum dieses System nur überleben kann, wenn es weltweit eingeführt wird. Denn es könnte in Konkurrenz zu kapitalistischen Staaten nicht lange bestehen.

Ich würde dir da in deiner Analyse nicht zustimmen. Ob die Produktionsmethode jetzt effektiver ist oder nicht weiß ich nicht, aber den Konkurrenzkampf, den solche Ansätze bisher nicht bestanden haben, waren nicht wirtschaftlicher Natur, sondern militärischer. Da haben sich die bisherigen Gruppieren zwar nur für ihre kleine Zahl verdammt gut geschlagen (Makhno, Spanien, etc.), aber irgendwann reichte es halt nicht mehr.

Was die Konkurrenzfähigkeit angeht: Das Problem am kapitalistischen Produktionssystem ist nicht, dass es so immens konkurrenzfähig ist (es hat eine massive Überproduktion in einigen Bereichen, eine massive Unterproduktion in anderen, Menschen sind zu großen Teilen eher unglücklich, etc.), sondern dass es allem und jedem ideologisch die eigene Form der Effizienzmessung aufdrückt. Sobald man sich davon etwas löst, wird es schwierig mit dem schönen Konkurrenzkampf.

Das Zitat von Marx, das du da gebracht hast, ist übrigens Teil seines historischen Determinismus, also der Überlegung, dass alles, was bisher passiert ist, genau so passieren musste, und es gar nicht anders ging. Der Kapitalismus entwickelte sich aus dem Feudalismus durch das Auftauchen des doppelt freien Arbeiters (sowohl frei im Sinne von nicht einem Landbesitzer gehörig, der für deren Wohl aufkommen muss, als auch frei von Besitz, mit dem sie sich selbst versorgen können), der seine Arbeitskraft verkaufen musste. Nach Marx ging gar nicht anders. Dein Satz bezieht sich auf einen Entwicklungsschub, der die miserablen Zustände im Feudalismus massiv in kurzer Zeit ändern musste, was historisch bedingt nur durch den Kapitalismus passieren konnte. Meines Wissens nach schreibt Marx nichts über die „Konkurrenzfähigkeit“ seines Kommunismus, da er allgemein sehr wenig darüber schreibt. „Das Kapital” jedenfalls beschreibt und kritisiert fast ausschließlich die aktuelle Situation, und hat wenig utopischen Gehalt. (Aus der gleichen Überlegung des historischen Determinismus heraus saßen und sitzen viele Marxisten rum und warten auf das unausweichliche Ende des Kapitalismus, das ja historisch determiniert bald kommen wird. Finde ich problematisch bei einem System, das ohne Einbeziehen von Umwelt und Menschenwürde optimiert, so dass das „unausweichliche Ende“ mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende größerer Teile Lebens auf der Erde sein dürfte.)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 15:20
Androgyner User
Abschaffung von Privateigentum an Produktionsmitteln.
Wie kann man eigentlich heutzutage noch solchen Phrasen hinterherlaufen? Haben die Sozialisten/Kommunisten/Anarchisten nicht mitbekommen, dass die industrielle Produktion mit dem klassischen Arbeiter massiv auf dem Rückzug ist? Haben diese Menschen die Rationalisierung verschlafen? Die meisten Menschen in der ersten Welt haben heute einen Computer. Dieser ist bis auf Spezialanwendungen günstig und ist ein potentielles Produktionsmittel. Auch wenn es nicht von allen als solches genutzt wird. Dürfen Menschen im Anarchismus oder Sozialismus keine eigenen Computer haben?

Ich würde dir da in deiner Analyse nicht zustimmen. Ob die Produktionsmethode jetzt effektiver ist oder nicht weiß ich nicht, aber den Konkurrenzkampf, den solche Ansätze bisher nicht bestanden haben, waren nicht wirtschaftlicher Natur, sondern militärischer. Da haben sich die bisherigen Gruppieren zwar nur für ihre kleine Zahl verdammt gut geschlagen (Makhno, Spanien, etc.), aber irgendwann reichte es halt nicht mehr.

Was die Konkurrenzfähigkeit angeht: Das Problem am kapitalistischen Produktionssystem ist nicht, dass es so immens konkurrenzfähig ist (es hat eine massive Überproduktion in einigen Bereichen, eine massive Unterproduktion in anderen, Menschen sind zu großen Teilen eher unglücklich, etc.), sondern dass es allem und jedem ideologisch die eigene Form der Effizienzmessung aufdrückt. Sobald man sich davon etwas löst, wird es schwierig mit dem schönen Konkurrenzkampf.
Selbst wenn der Kampf nicht militärisch geführt wird kann eine Großmacht durch wirtschaftliche Überlegenheit eine andere Großmacht ausbluten lassen und es kommt unweigerlich zur Konterrevolution. Im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf zwischen Nationen ist diese Form von Effizienzmessung aber maßgeblich. Wenn im Anarchie-Sozialismus-Land doppelt so viele Ärzte pro Kopf beschäftigt werden und viel mehr Künstler die Gelegenheit haben sich zu verwirklichen, dann hilft das auch nichts, wenn es den Leuten an essentiellen Dingen mangelt.

Das Zitat von Marx, das du da gebracht hast, ist übrigens Teil seines historischen Determinismus, also der Überlegung, dass alles, was bisher passiert ist, genau so passieren musste, und es gar nicht anders ging. Der Kapitalismus entwickelte sich aus dem Feudalismus durch das Auftauchen des doppelt freien Arbeiters (sowohl frei im Sinne von nicht einem Landbesitzer gehörig, der für deren Wohl aufkommen muss, als auch frei von Besitz, mit dem sie sich selbst versorgen können), der seine Arbeitskraft verkaufen musste. Nach Marx ging gar nicht anders. Dein Satz bezieht sich auf einen Entwicklungsschub, der die miserablen Zustände im Feudalismus massiv in kurzer Zeit ändern musste, was historisch bedingt nur durch den Kapitalismus passieren konnte. Meines Wissens nach schreibt Marx nichts über die „Konkurrenzfähigkeit“ seines Kommunismus, da er allgemein sehr wenig darüber schreibt. „Das Kapital” jedenfalls beschreibt und kritisiert fast ausschließlich die aktuelle Situation, und hat wenig utopischen Gehalt. (Aus der gleichen Überlegung des historischen Determinismus heraus saßen und sitzen viele Marxisten rum und warten auf das unausweichliche Ende des Kapitalismus, das ja historisch determiniert bald kommen wird. Finde ich problematisch bei einem System, das ohne Einbeziehen von Umwelt und Menschenwürde optimiert, so dass das „unausweichliche Ende“ mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ende größerer Teile Lebens auf der Erde sein dürfte.)
Durchaus. Allerdings kann man da nur sagen sind die Menschen selbst schuld. Wer einfach kein Bock hat sich zu bilden und zu informieren hat Pech gehabt. Schade nur für die einsamen Mohikaner, die für eine bessere Welt kämpfen, aber alleine nichts auf die Beine stellen werden.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 15:30
garou
Abschaffung von Privateigentum an Produktionsmitteln.
Dürfen Menschen im Anarchismus […] keine eigenen Computer haben?
Wer sollte es ihnen verbieten? Und im Gegensatz zur heutigen Zeit würde sogar der Privatbesitz an Produktionsmitteln wie Algorithmen aufgehoben werden. Quicksort für alle, undzwar umsonst!

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 15:36
Anonymer User
im Gegensatz zur heutigen Zeit würde sogar der Privatbesitz an Produktionsmitteln wie Algorithmen aufgehoben werden. Quicksort für alle, undzwar umsonst!

Ist Quicksort patentiert?!

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 15:40
Marrow
Ist Quicksort patentiert?!
Das weiß ich gerade nicht, aber der Doppelklick ist oder war patentiert. Auch gibt es ein Patent über das Einbinden von Plugins etc. in Webseiten (siehe hier).
Es gibt jede Menge sogenannter Trivialpatente (wie der Einklickeinkauf von Amazon).

Beispiele für Trivialpatente

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 15:52
Androgyner User
Abschaffung von Privateigentum an Produktionsmitteln.
Dürfen Menschen im Anarchismus […] keine eigenen Computer haben?
Wer sollte es ihnen verbieten? Und im Gegensatz zur heutigen Zeit würde sogar der Privatbesitz an Produktionsmitteln wie Algorithmen aufgehoben werden. Quicksort für alle, undzwar umsonst!
Fällt dir der Widerspruch zu Anarchs Zitat nicht auf?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 15:52
Anarch
Abschaffung von Privateigentum an Produktionsmitteln.
Haben die Sozialisten/Kommunisten/Anarchisten nicht mitbekommen, dass die industrielle Produktion mit dem klassischen Arbeiter massiv auf dem Rückzug ist?

Naja, geht noch. Die Unterscheidung ist weiterhin zwischen Besitzenden und jenen, die die Arbeit verrichten. Arbeit ist und bleibt die wichtigste Ware der meisten Menschen, und mit „Produktionsmittel“ sind jene besitzbaren Dinge gemeint, mit denen man Arbeit in handelbare Produkte umwandelt.

Das trifft sowohl auf die Maschine in einer Fabrik zu, als auch auf die Compiler-Software, als auch auf den Marketing-Vertrag, der einem bestimmte Logos oder Inhalte erlaubt zu verwenden, die für die Verwirklichung notwendig sind, als auch auf die Algorithmen, die ich für etwas brauche.

Nur wer dabei die Zusammenhänge nicht sieht, kann sich über die Terminologie aufregen. Aber es sind ja im Normalfall immer die Anderen, die keinen Plan haben und nicht nachdenken. Lieber erstmal flamen, bevor man nachfragt, was die Anderen denn so meinen.

Die meisten Menschen in der ersten Welt haben heute einen Computer. Dieser ist bis auf Spezialanwendungen günstig und ist ein potentielles Produktionsmittel. Auch wenn es nicht von allen als solches genutzt wird. Dürfen Menschen im Anarchismus oder Sozialismus keine eigenen Computer haben?

Erstens sind Anarchisten nicht bei der GEZ und unterscheiden noch zwischen „potentiellem Produktionmittel“ und realem selbigen. Klar kann ich einen Computer besitzen, aber ich kann mich nicht hinsetzen und jemandem sagen „hier, programmiere etwas auf meinem Computer, ich geb dir auch 5 EUR, und dein Programm gehört mir.“

Und genaugenommen geht es hierbei um Eigentum und nicht Besitz (Unterscheidung nach Proudhon, wobei er mit Besitz das bezeichnet, was man wirklich gerade hat, und mit Eigentum das, bei dem das Recht einem erlaubt, anderen zu verbieten es zu benutzen). Es geht darum, die Eigentumsrechte durch Benutzungsrechte zu ersetzen. Ich soll das Recht haben, etwas zu benutzen, aber nicht mehr das Recht, dir zu verbieten etwas zu benutzen, wenn ich es selbst nicht benutze. Und selbst hier geht es nur um das Eigentum an Produktionsmitteln (siehe Begriffserklärung oben), und nicht an deinem Privat-PC oder deinem Fahrrad, Auto, oder sonstwas.

Selbst wenn der Kampf nicht militärisch geführt wird kann eine Großmacht durch wirtschaftliche Überlegenheit eine andere Großmacht ausbluten lassen und es kommt unweigerlich zur Konterrevolution. Im wirtschaftlichen Konkurrenzkampf zwischen Nationen ist diese Form von Effizienzmessung aber maßgeblich. Wenn im Anarchie-Sozialismus-Land doppelt so viele Ärzte pro Kopf beschäftigt werden und viel mehr Künstler die Gelegenheit haben sich zu verwirklichen, dann hilft das auch nichts, wenn es den Leuten an essentiellen Dingen mangelt.

Interessanterweise mangelt es in aktuellen Ländern recht vielen Menschen an essentiellen Dingen, selbst wenn die anerkannten Kenngrößen sagen, dass es dem Land gut geht. Und wie gesagt, die bisherigen Versuche gingen nicht an einer Konterrevolution der unglücklichen Bewohner zugrunde (in Spanien gingen die Bewohner teilweise an den Kugeln jener zugrunde, die eine Konterrevolution darin sahen, dass die Leute keinen Staatskommunismus wollten, aber das ist was anderes).

Allerdings kann man da nur sagen sind die Menschen selbst schuld. Wer einfach kein Bock hat sich zu bilden und zu informieren hat Pech gehabt. Schade nur für die einsamen Mohikaner, die für eine bessere Welt kämpfen, aber alleine nichts auf die Beine stellen werden.

Ich verstehe nicht, wie das auf den zitierten Beitrag passt – könntest du das etwas ausführen?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 16:02
Androgyner User
Ich verstehe nicht, wie das auf den zitierten Beitrag passt – könntest du das etwas ausführen?
Ne, war eher ein Monolog.

Andere Frage. Was hindert Anarchisten daran sich im jetzigen System zu verwirklichen und einen anarchistisch geführten Betrieb aufzumachen? Mit Steuern kannst du jetzt nicht kommen. Denn die müssen andere Firmen auch bezahlen. Zumindest die kleinen.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-08 16:28
Anarch
Andere Frage. Was hindert Anarchisten daran sich im jetzigen System zu verwirklichen und einen anarchistisch geführten Betrieb aufzumachen?

Wenig, deswegen gibt es diese auch – viele Genossenschaften sind selbstverwaltet, auch wenn das in anderen Ländern (co-ops) verbreiteter ist.

Wenn man nur einen Betrieb so organisiert, steckt dieser aber weiterhin in den Handelsbeziehungen mit den kapitalistischen Nachbarn, und kann auch nicht anders als den Regeln dieser Handelsbeziehungen nachzugehen, da er in keinster Weise autonom ist. Und diese Regeln zwingen nunmal Profitmaximierung und die Orientierung an bestimmten Kenngrößen auf.

Insofern wäre es sinnvoller, wenn man nicht nur die Produktion, sondern auch die Konsumption zusammen abspaltet und anders organisiert. Dies ist ungleich schwieriger, allerdings die Grundlage der anarchistischen sozialen Revolution. (Darf ich „Revolution“ sagen? Ich meine auch nicht die mit vielen Waffen und so)

Syndikalisten – ich nehme die mal wieder, weil die das so schön ausgebaut haben – wollen eben über Gewerkschaften (Syndikate) die Arbeiter (also auch Programmierer) zusammenschließen, so dass diese mit etwas Aufwand autonom werden und sich abspalten können. Das wird allerdings recht negative Auswirkungen vom Staat her mit sich bringen.

Mit Steuern kannst du jetzt nicht kommen. Denn die müssen andere Firmen auch bezahlen. Zumindest die kleinen.

Du implizierst hierbei, dass anarchistische Betriebe ja konkurrenzfähig sein müssen, und daher auch kein Problem mit dem zahlen von Steuern haben dürften. Dabei gilt allerdings weiterhin, dass diese Aussage über „Konkurrenzfähigkeit“ sich auf sehr bestimmte Kenngrößen bezieht.

Das Problem an den Steuern ist in erster Linie übrigens nicht der Betrag, sondern, dass man die Steuern in Euro zahlen muss. Das heißt, man muss Euro irgendwo herbekommen, und damit steckt man wieder im Konkurrenzkampf, im Handel und im Profitzwang, und kann nicht autonom agieren.

Aber es geht nicht nur um Steuern, sondern auch um die oben erwähnte Konkurrenz nach bestimmten Kenngrößen, denen man sich nicht unbedingt anschließen muss, z.B. Profitmaximierung, aber auch der bereits ungünstig verteilte Besitz am benötigtem Eigentum (ich würde „Produktionsmittel“ schreiben, aber das ist ja irgendwie ein böses wort, es geht allerdings auch um Mieten) und ein staatlich-gewaltmonopolistisch garantierter Schutz desselben.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-21 20:59
garou
Ansonsten habe ich vor allen bzgl. der Arbeitsmoral Einwände. Ich denke auch, dass die meisten bereit sind etwas zu tun. Allerdings nur in einem sehr kleinen Umfang. Grob ausgedrückt, so weit dass sich kein schlechtes Gewissen aufbaut. Wenn freiwillige Arbeiten anfallen, sehe ich vor allen Beispiele wie "So, ich habe jetzt immerhin einen Tag mitgemacht, X hat noch gar nichts getan. Sehe ich nicht ein mehr zu machen, wenn er noch nichts getan hat.". Sprich, es findet eine Orientierung nach unten statt. Und das ist dann ein Prozess, der sich selbst beschleunigt. Es ist für mich schwer vorstellbar, das in Bezug auf Wohlstand und Technologie, eine Welt wie heute erreicht wäre oder auch nur aufrechterhalten werden könnte. Für mich klingt das nach sehr viel Armut.
Wie du es schon sagst: In diesem Szenario gibt es ein Problem mit der Arbeitsmoral. Die Leute, die du beschreibst, orientieren sich nicht daran, was für Arbeit erledigt werden muß (muß?) oder was sie möchten, daß getan wird (was sie dann zum Teil selbst tun), sondern daran, was andere tun, und daß sie selbst genug tun, um im Falle, daß sie jemand ihrer geringen Arbeitsleistung wegen anschuldigt, sagen zu können "Aber ich habe doch XYZ getan!" (wobei der erste, der sie so anschuldigt, sie selbst sind, aber das nur am Rande).
Nun ist die Frage: Ist es eine Arbeit, die erledigt werden *muß* oder eine, von der es schön wäre, wenn sie erledigt werden würde?
Wenn es letztere ist, sei's 'drum, tut's halt keiner. Unter der Annahme, daß die Marktwirtschaft in ihrer bisherigen Form weiterexistiert, könnte handgestochener Spargel ein echtes Luxusgut werden. Mag vielleicht doof klingen, ist aber halt so, wer findet, daß das kein gutes System ist, möge sich Dogville angucken und Parallelen erkennen.
Und essentielle Arbeiten? Strom, Wasser, Abwasser, Nahrung? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich dafür keine Freiwilligen finden. Wo derzeit ob einer Mangelerscheinung sich entrüstet und nach dem Starken Mann gerufen wird, der die Züge pünktlich fahren läßt, bliebe dann niemandem etwas anderes üblich als sich der Frage zu stellen, wo man war, als die dick rot markierten Arbeitsvolumina in den Arbeitsbörsen immer mehr Ausrufezeichen erhielten. Dann gab es einen Winter lang halt keine Kartoffeln. Aber ich glaube nicht, daß ein derartiger Arbeitsmangel eine moderne Gesellschaft auslöschen oder auch nur schwerwiegend aus dem Gleichgewicht bringen kann.
Oder mal anders gesagt: Als letztes Jahr die Müllabfuhr gestreikt hat, wie lange hätte es, gegeben die Möglichkeit, wohl gedauert hätte, bis sich Leute gefunden hätten, die eine von vielen kleinen Touren mitfahren und ihre eigene und ein paar Dutzend weitere Tonnen leeren?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-21 22:04
Anonymer User
Vielleicht eine blöde Frage, da ich mich mit den Konzepten des Anarchismus nicht auskenne, aber wie kann denn in einem anarchistischen System ohne Staat und Herrschaft Recht gesprochen bzw. die Einhaltung einfacherer Regeln des menschlichen Zusammenlebens, wie z. B. dass man nicht töten darf, gewährleistet werden?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 10:37
Anarch
Vielleicht eine blöde Frage, da ich mich mit den Konzepten des Anarchismus nicht auskenne, aber wie kann denn in einem anarchistischen System ohne Staat und Herrschaft Recht gesprochen bzw. die Einhaltung einfacherer Regeln des menschlichen Zusammenlebens, wie z. B. dass man nicht töten darf, gewährleistet werden?

Schöne Frage, und in der Tat eines der am schwersten debattierten Themen. Wie einzelne Kommunen das regeln, müssen sie (wie immer) selbst bestimmen. Aber es gibt Vorschläge, und einige wurden auch schon angewendet.

Als Vorüberlegung kann man mal bei den aktuellen Straftaten versuchen zu erkennen, welche denn überhaupt dieses „einfachen Regeln des menschlichen Zusammenlebens” verletzten. Die meisten Eigentumsdelikte fallen nämlich direkt weg, wenn es kein Eigentum gibt. Vergewaltigung ist eine Frage der Macht, ein Resultat einer Gesellschaftsform. Etc. Aber das nur als Anmerkung, es wird auch weiterhin Leute geben, die sich eben anti-sozial verhalten (und damit meine ich nicht, dass sie Demonstrieren).

Dabei muss man dann noch zwischen jenen Taten unterscheiden, bei denen zwischen den Parteien eine Meinungsverschiedenheit herrscht, und bei denen die Gemeinschaft sich angegriffen fühlt, z.B. durch Mord. Im ersten Fall bedarf es eines Mediators, der eine Einigung erzielt, aber das ist glaube ich auch nicht das Problem. Das Problem ist viel mehr der zweite Falle. Eine Lösung dafür besteht in von der Kommune/Gruppe gewählten Gerichten, die sich den Sachverhalt ansehen und… Naja, Gerichte halt. Wichtig in diesem Fall, dass diese gewählt sind und nicht eingesetzt werden. Zielsetzung des Ganzen ist keine Bestrafung des „Übeltäters“, sondern das Heilen der entstandenen (seelischen) Wunden und das Lernen aller Beteiligter. Ein Übeltäter wird demnetsprechend im Normalfall auch nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen (Gefängnis, Psychiatrie), sondern eingebunden (Hilfe bei Reparaturen,.das Miterleben der verursachten Schmerzen). Der Lerneffekt wird durch sozialen Druck und die öffentliche Meinung erzielt.

Als härteste Strafe bleibt die Verbannung: Wir sehen keine Möglichkeit mehr, mit dir zusammenzuleben. Verschwinde. Eventuell kommen Andere besser mit dir klar.

Wer sich jetzt wundert, wie man in einer Anarchie Macht ausüben kann, um andere zu sowas zu zwingen, hat durchaus einen Punkt. Hier entscheidet die Gemeinschaft (in direkter Demokratie), sich über das Individuum zu stellen. Aber eine Option darf dabei nicht entfernt werden, nämlich die der getrennten Wege. Wenn ich finde, dass ich richtig handle, aber die Gemeinschaft hier mir widerspricht, und weder die Gemeinschaft noch ich mich ändern wollen, dann bin nicht ich „falsch“, ist nicht die Gemeinschaft „falsch“, sondern sind wir einfach unterschiedlich, und dann ist es das Beste, wenn man getrennte Wege geht – am Besten sollte ich mir eine neue Gemeinschaft suchen, in der ich besser hineinpasse. Eigenständige, freiwillige „Verbannung“ bzw. „Exil“.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 11:55
Popcorn
Nun ist die Frage: Ist es eine Arbeit, die erledigt werden *muß* oder eine, von der es schön wäre, wenn sie erledigt werden würde?
Das Problem ist nur, dass eine ganze Menge nicht wirklich muss. Ich habe sehr starke Zweifel daran, dass wir mit dem System, das heutige technologische Niveau erreicht hätten. Und das wäre im Vergleich eine ausgesprochen bittere Pille.

Und essentielle Arbeiten? Strom, Wasser, Abwasser, Nahrung? Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich dafür keine Freiwilligen finden. Wo derzeit ob einer Mangelerscheinung sich entrüstet und nach dem Starken Mann gerufen wird, der die Züge pünktlich fahren läßt, bliebe dann niemandem etwas anderes üblich als sich der Frage zu stellen, wo man war, als die dick rot markierten Arbeitsvolumina in den Arbeitsbörsen immer mehr Ausrufezeichen erhielten. Dann gab es einen Winter lang halt keine Kartoffeln. Aber ich glaube nicht, daß ein derartiger Arbeitsmangel eine moderne Gesellschaft auslöschen oder auch nur schwerwiegend aus dem Gleichgewicht bringen kann.
Das will ich so auch überhaupt nicht bestreiten. Nur wenn ich parallelen zu jetztigen Kleinsystemen ziehe (und sei es nur ein Umzug mit Freunden), dann ist Anarchie die Ausbeutung der Gutmütigen und Hilfsbereiten. Und das finde ich auf Dauer nicht sehr überzeugend.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 12:14
Marrow
[offtopic]
Nun ist die Frage: Ist es eine Arbeit, die erledigt werden *muß* oder eine, von der es schön wäre, wenn sie erledigt werden würde?
Das Problem ist nur, dass eine ganze Menge nicht wirklich muss. Ich habe sehr starke Zweifel daran, dass wir mit dem System, das heutige technologische Niveau erreicht hätten. Und das wäre im Vergleich eine ausgesprochen bittere Pille.
Wäre es das? Wenn ich an die Dokumentationen über Naturvölker oder traditionell lebende Menschen (z. B. ein Dorf in China, die einzige Maschine ist ein Reisschäler) denke, ist mir dort nicht aufgefallen, dass die Menschen dort unglücklich sind. Eher im Gegenteil wirken die Menschen meist zufriedener auf mich.

Und wenn wir so aufgewachsen wären, wäre es eben normal, die Technik nicht zu haben.
Dass z. B. die medizinische Versorgung deutlich besser geworden ist, kann man wohl kaum abstreiten. Dafür gibt es allerdings auch viele Zivilisationskrankheiten (Rückenleiden, Heuschnupfen, Allergien, aus Übergewicht resultierende Krankheiten…).[/offtopic]

Edit: Das ist vermutlich ein Thema für sich.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 12:31
Anarch
Das Problem ist nur, dass eine ganze Menge nicht wirklich muss.

progress doesn't come from early risers,
progress is made by lazy men looking for easier ways to do things

;-)

Das will ich so auch überhaupt nicht bestreiten. Nur wenn ich parallelen zu jetztigen Kleinsystemen ziehe (und sei es nur ein Umzug mit Freunden), dann ist Anarchie die Ausbeutung der Gutmütigen und Hilfsbereiten. Und das finde ich auf Dauer nicht sehr überzeugend.

Erstmal gibt es noch die Mutualisten, die auch nicht viel von diesem System halten, sondern den freien Markt gar nicht mal doof finden. Sind auch Anarchisten. Das, was garou da beschrieb, ist typisch kommunstische Anarchie. Wir Anarchisten sind da immer etwas uneinheitlich (fehlende Führer machen die Einheitsmeinung schwerer :-)). Insofern kann man diese Überlegung auch schlecht finden, und immernoch Anarchist sein.

Aber ich finde die Überlegung gut.

Jeder arbeitet, so viel er will. Wenn ich den Eindruck habe, dass jemand echt wenig macht, kann ich mit ihm reden und Lösungen finden. Wenn es jemandem nichts ausmacht „mehr“ zu machen, dann macht er halt mehr (das ist selten, im Normalfall macht jemand halt nur etwas lieber, was wir jetzt als „Job“ sehen, während der Andere dann lieber etwas wie ein „Hobby“ lieber macht; was davon jetzt „besser“ ist, ist nicht ganz so einfach zu sagen). Es liegt an mir, was ich daraus mache.

Aktuell arbeitet jeder so viel er kann (und meist noch etwas mehr), und wenn er es nicht tut, muss er halt verrecken (ach nein, wir sind großzügig und lassen ihn noch etwas rumvegetieren). Durch ständigen Konkurrenzkampf auch beim Gehalt kann man nicht mal eben „etwas mehr“ machen und damit anderen eventuell andere Tätigkeiten ermöglichen, sondern kämpft immer individuell um sein eigenes Überleben. Ich bin ein Rad in einer Maschine, und wenn ich nicht funktioniere, werde ich ausgetauscht.

Weiß nicht. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mehr mache als jemand anderes (schrecklich), finde ich die erste Option irgendwie schöner.

Und ja, ich wohne in einer WG, ich weiß, was du meinst. Das kann ganz schön nervig sein. Ich glaube nur nicht, dass durch eine kapitalistische Organisation das hier besser wäre.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 12:31
garou
Nun ist die Frage: Ist es eine Arbeit, die erledigt werden *muß* oder eine, von der es schön wäre, wenn sie erledigt werden würde?
Das Problem ist nur, dass eine ganze Menge nicht wirklich muss. Ich habe sehr starke Zweifel daran, dass wir mit dem System, das heutige technologische Niveau erreicht hätten. Und das wäre im Vergleich eine ausgesprochen bittere Pille.
Abgesehen davon, daß du dann nicht wüßtest, was alles noch nicht erfunden wurde und es damit auch nicht schmerzlicher vermissen würdest als zum Beispiel schnelle Elektroautos… Schlechtes Beispiel, die gab's ja schon, wurden nur wieder eingestampft, nachdem der rechtliche Druck weg war, egal, wie gut sie sich verkauft hätten… Oh, Neurointerfaces! Nein, die sind ja auch schon auf dem besten Weg zum Prototypen… Na gut, mir fällt gerade nichts ein, was ich nicht kenne und deshalb vermisse.
Okay, abgesehen davon, daß du nicht wüßtest, was dir fehlen würde, was glaubst du, an welchem Punkt würde die technische Entwicklung der Menschheit stehenbleiben, weil ohne Kapitaldruck keiner mehr Lust hat, sich hinzusetzen und ein wenig zu forschen und zu entwickeln? Ich habe sehr starke Zweifel, daß das JEMALS passieren würde.

Und essentielle Arbeiten? […] Aber ich glaube nicht, daß ein derartiger Arbeitsmangel eine moderne Gesellschaft auslöschen oder auch nur schwerwiegend aus dem Gleichgewicht bringen kann.
Das will ich so auch überhaupt nicht bestreiten. Nur wenn ich parallelen zu jetztigen Kleinsystemen ziehe (und sei es nur ein Umzug mit Freunden), dann ist Anarchie die Ausbeutung der Gutmütigen und Hilfsbereiten. Und das finde ich auf Dauer nicht sehr überzeugend.
[strike]Ah, du willst also lieber in einer mutualistischen als einer altruistischen Gesellschaft leben?[/strike] Dritte Kommune links, die administrieren eine ripple money-Bank. Anarchie heißt nicht, daß dich jemand zwingen würde, auf ein Geldsystem zu verzichten, wenn du unbedingt eines haben willst. Solange du nicht die Welt mit leninistischem Unfug wie "Wer nicht arbeitet, braucht auch nicht zu essen." oder "Zielsetzung ist die Vollbeschäftigung der Bevölkerung." in eine neue Sklaverei zu zwingen versuchst, more power to you.

EDIT: Streichung. Natürlich können solche Systeme auch parallel existieren und wenn sich keine Freunde finden, die es freiwillig tun, wäre der Umzug eine Gelegenheit, ein paar waves auszugeben.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 12:38
Anarch
Wäre es das? Wenn ich an die Dokumentationen über Naturvölker oder traditionell lebende Menschen (z. B. ein Dorf in China, die einzige Maschine ist ein Reisschäler) denke, ist mir dort nicht aufgefallen, dass die Menschen dort unglücklich sind. Eher im Gegenteil wirken die Menschen meist zufriedener auf mich.

Die Strömung nennt sich „primitivism“ bzw. Primitivismus. Lustigerweise hat diese Strömung auch eine Webseite: http://www.primitivism.com/ (Ich finde die Existenz einer Webseite, die sich für Primitivismus ausspricht, wirklich urkomisch, aber naja :-)).

Viele Anarchisten finden Primitivismus aber nicht sonderlich toll, Text dazu unter http://www.infoshop.org/faq/secA3.html#seca39

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 16:01
Anonymer User
Dabei muss man dann noch zwischen jenen Taten unterscheiden, bei denen zwischen den Parteien eine Meinungsverschiedenheit herrscht, und bei denen die Gemeinschaft sich angegriffen fühlt, z.B. durch Mord. Im ersten Fall bedarf es eines Mediators, der eine Einigung erzielt, aber das ist glaube ich auch nicht das Problem.
Glaubst du denn tatsächlich, dass sich durch einen Mediator wirklich immer eine Einigung finden lässt? Schon kleine Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zeigen doch, dass diese Einigung zu finden alles andere als einfach ist und häufig (meistens?) nicht beide Seite zufrieden stellt.

Das Problem ist viel mehr der zweite Falle. Eine Lösung dafür besteht in von der Kommune/Gruppe gewählten Gerichten, die sich den Sachverhalt ansehen und… Naja, Gerichte halt. Wichtig in diesem Fall, dass diese gewählt sind und nicht eingesetzt werden. Zielsetzung des Ganzen ist keine Bestrafung des „Übeltäters“, sondern das Heilen der entstandenen (seelischen) Wunden und das Lernen aller Beteiligter. Ein Übeltäter wird demnetsprechend im Normalfall auch nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen (Gefängnis, Psychiatrie), sondern eingebunden (Hilfe bei Reparaturen,.das Miterleben der verursachten Schmerzen). Der Lerneffekt wird durch sozialen Druck und die öffentliche Meinung erzielt.

Als härteste Strafe bleibt die Verbannung: Wir sehen keine Möglichkeit mehr, mit dir zusammenzuleben. Verschwinde. Eventuell kommen Andere besser mit dir klar.
Auch hier halte ich es für realitätsfern zu glauben, dass diese "milden Strafen", die es in unserem Rechtssystem ja ebenfalls gibt und sehr häufig Anwendung finden, immer oder in den meisten Fällen funktionieren werden. Und wie wird denn eine Verbannung realisiert? Wer hindert eine verbannte Person daran, die Verbannung zu missachten und viellleicht noch jemanden zu töten oder Allgemeingut zu zerstören bzw. zu entwenden?

Wer sich jetzt wundert, wie man in einer Anarchie Macht ausüben kann, um andere zu sowas zu zwingen, hat durchaus einen Punkt. Hier entscheidet die Gemeinschaft (in direkter Demokratie), sich über das Individuum zu stellen. Aber eine Option darf dabei nicht entfernt werden, nämlich die der getrennten Wege. Wenn ich finde, dass ich richtig handle, aber die Gemeinschaft hier mir widerspricht, und weder die Gemeinschaft noch ich mich ändern wollen, dann bin nicht ich „falsch“, ist nicht die Gemeinschaft „falsch“, sondern sind wir einfach unterschiedlich, und dann ist es das Beste, wenn man getrennte Wege geht – am Besten sollte ich mir eine neue Gemeinschaft suchen, in der ich besser hineinpasse. Eigenständige, freiwillige „Verbannung“ bzw. „Exil“.
Das sind ganz explizit die Grundsätze unserer heutigen Gesellschaft, die du hier beschreibst. Niemand hindert dich daran unsere Gemeinschaft zu verlassen und dir eine andere Gemeinschaft zu suchen. Niemand verbannt andere Einstellungen als falsch, sondern unser pluralistischen System begrüßt sie sogar noch. Ich sehe hier keine Unterschiede zu dem System, das wir jetzt haben.

Ich habe bisher nur zwei Unterschiede zwischen dem Anarchismus, wie du ihn hier darstellst, und dem Liberalismus bzw. Neoliberalismus, der unser jetztiges System ja entscheidend prägt, entdeckt:
Der größte Unterschied ist mit Sicherheit die Abschaffung des privaten Eigentums. Da sehen ich im wesentlichen das Problem (Stichwort Allmende aus IMG4), dass wenn alle Güter Allgemeineigentum sind, diese eine Abnutzung bis zur Unbrauchbarkeit erfahren.
Der zweite Unterschied, der mir aufgefallen ist, ist, dass Machthierarchien nur durch direkte Wahlen zustande kommen und lediglich imperative Mandate zustanden kommen. Diese Konzepte von Demokratie halte ich für durchaus diskussionswürdig, jedoch muss man die starken Effizienzeinbußen akzeptieren, zu denen diese führen.

Was mich jetzt noch interessieren würde ist, wie in einem solchen System, wo es weder einen Preis, wie in der Marktwirtschaft, noch eine zentrale Planungsinstanz, wie in anderen Systemen, gibt, Angebot und Nachfrage synchronisiert werden sollen. Das System führt langfristig zu einer deindustrialisierung und auch wenn man den damit verbundenen Verzicht auf alle Luxusgüter akzeptieren mag, so hört die Bereitschaft zum Verzicht spätesten bei der Grundversorgung mit Nahrungsmitteln auf. Um alle Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung des Wachstums der Meschheit, ernähren zu können, muss jedoch eine effiziente Allokation von Ressourcen stattfinden und es muss eine hohe Effizienz erreicht werden. Ich sehe eben nicht, wie das in einem anarchistischen System langfristig erreicht werden kann.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 19:02
Anarch
Glaubst du denn tatsächlich, dass sich durch einen Mediator wirklich immer eine Einigung finden lässt? Schon kleine Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zeigen doch, dass diese Einigung zu finden alles andere als einfach ist und häufig (meistens?) nicht beide Seite zufrieden stellt.

Stimmt. Mehr als anbieten kann man das bei Streitereien, die eben nicht anti-sozial im eigentlichen Sinne sind, auch nicht.

Auch hier halte ich es für realitätsfern zu glauben, dass diese "milden Strafen", die es in unserem Rechtssystem ja ebenfalls gibt und sehr häufig Anwendung finden, immer oder in den meisten Fällen funktionieren werden.

Ich halte es eher für realitätsfern, dass "harte Strafen" helfen. Aber das können wir uns glaube ich recht lange gegenseitig an den Kopf werfen.

Ziel für mich wäre, wie erwähnt, ein Justizsystem, das eben nicht "straft", sondern hilft.

Und wie wird denn eine Verbannung realisiert? Wer hindert eine verbannte Person daran, die Verbannung zu missachten und viellleicht noch jemanden zu töten oder Allgemeingut zu zerstören bzw. zu entwenden?

Die Allgemeinheit hindert denjenigen daran. ;-) Eine Art Polizei kann es z.B. auch geben, wenn man sie braucht. Auch hier wieder als wichtige Grundlage, dass alle daran teilnehmen können und auch sollen, und das keine "Elite" ist.

Das sind ganz explizit die Grundsätze unserer heutigen Gesellschaft, die du hier beschreibst.

Oh, das sind maximal Grundsätze, die unsere Gesellschaft glaubt zu besitzen, aber nicht hat.

Niemand hindert dich daran unsere Gemeinschaft zu verlassen und dir eine andere Gemeinschaft zu suchen.

Leider doch. Es sei denn, ich verlasse das Land, und selbst dann bleibt mir die Staatsangehörigkeit anhaften. Das Problemhierbei ist insbesondere die Ausdehung dieser "Gesellschaft" hier, die auch Gebiete als "ihre" beansprucht, die sie gar nicht benutzt.

Niemand verbannt andere Einstellungen als falsch, sondern unser pluralistischen System begrüßt sie sogar noch.

Kiffen darf ich nicht, weil böse. Sich von Hunden ficken zu lassen ist auch ganz schlecht. Ab sofort selbstverwaltet zu leben und keine EUR mehr zu verdienen ist auch doof. Und wenn ich kein deutscher Staatsbürger bin, habe ich sowieso geschissen. Nope, sorry, es werden genug andere Einstellungen "verbannt" und alles andere als "begrüßt".

Ich habe bisher nur zwei Unterschiede zwischen dem Anarchismus, wie du ihn hier darstellst, und dem Liberalismus bzw. Neoliberalismus, der unser jetztiges System ja entscheidend prägt, entdeckt:

Schön festgestellt. Der Hauptunterschied ist der Versuch, keine Machtverhältnisse aufzubauen. Darunter fällt das Privateigentum – Proudhon sagte dazu nicht umsonst "Property is Theft", denn Privateigentum insbesondere an Produktionsmitteln (also allem, was Arbeitskraft in handelbare Waren umwandelt) ist ein Machtverhältnis in sich selbst: Privateigentum ist die Macht, dir zu sagen, dass du etwas nicht benutzen darfst, egal was es für andere Umstände gibt.

Der größte Unterschied ist mit Sicherheit die Abschaffung des privaten Eigentums. Da sehen ich im wesentlichen das Problem (Stichwort Allmende aus IMG4), dass wenn alle Güter Allgemeineigentum sind, diese eine Abnutzung bis zur Unbrauchbarkeit erfahren.

Ich kenne zwar Allmende aus IMG4 nicht (IMG4 war grauslig und Rolf mag keine Diskussionen), aber das klingt nach dem Problem der Tragedy of the Commons, einer Theorie, die ganz und gar nicht unumstritten ist (der Wikipedia-Artikel liest sich ganz nett). Die Anarchist FAQ hat der Frage einen ganzen Abschnitt gegönnt. Für die Kurzform würde ich am relevantesten halten, dass das Problem bei der Tragedy auf dem erwarteten Konkurrenzverhalten der Besitzer basiert, etwas, was Anarchisten ja gerne mal als nicht ganz so selbstverständlich ansehen. Für mich die wichtigste Unterscheidung ist, dass das eben nicht niemandem, sondern allen gehört. Und Gruppen sind scheinbar ganz gut darin, unter sich sowas auszumachen.

Denn mein Hauptargument ist nicht eine schöne theoretische Argumentation (die findet sich angedeutet im Wikipedia-Artikel und etwas ausführlicher ind er FAQ), sondern recht pragmatisch Beobachtungen in der realen Welt: Ob das jetzt die die verschiedenen selbstverwalteten Projekte in ganz Deutschland sind, wie etwa die Libertären in Harburg, die Projektwerkstatt in Gießen oder sonstiges, oder auch etwas historisches wie etwa die Versorgung großer Teile des Landes über zwei Jahre hinweg durch Felder in so einem "Gemeingut" im revolutionären Spanien (es gibt noch mehr Beispiele), es spricht doch einiges dafür, dass das recht gut klappen kann. Ich behaupte nicht, dass es immer klappt (wäre auch etwas dreist), aber zu sagen, dass es nicht klappen kann, halte ich ebenso für etwas vorschnell.

Der zweite Unterschied, der mir aufgefallen ist, ist, dass Machthierarchien nur durch direkte Wahlen zustande kommen und lediglich imperative Mandate zustanden kommen. Diese Konzepte von Demokratie halte ich für durchaus diskussionswürdig, jedoch muss man die starken Effizienzeinbußen akzeptieren, zu denen diese führen.

Wenn du am Ende noch ein "können" hinzufügst, bin ich zufriegen ;-)

Was mich jetzt noch interessieren würde ist, wie in einem solchen System, wo es weder einen Preis, wie in der Marktwirtschaft, noch eine zentrale Planungsinstanz, wie in anderen Systemen, gibt, Angebot und Nachfrage synchronisiert werden sollen.

Dezentrale Planwirtschaft, siehe die Beschreibung der Syndikate und Arbeiterbörsen etwas weiter oben in diesem Thread.

Das System führt langfristig zu einer deindustrialisierung

Wie kommst du darauf?

Um alle Menschen […] ernähren zu können, muss jedoch eine effiziente Allokation von Ressourcen stattfinden

Oh ja, da hast du absolut Recht. Die Allokation, die zur Zeit stattfindet, ist hochgradig ineffizient, man muss da dringend etwas tun.

Ich habe folgenden Teilsatz herausgeschnitten, weil ich ihn für problematisch halte:

insbesondere unter Berücksichtigung des Wachstums der Meschheit

Ein ähnliches Argument stammt ursprünglich von Malthus (ein ganz rührender Zeitgenosse), und wurde seitdem immer wieder wiederholt: Es gibt zu viele Menschen. So viele Menschen kann der Staat/die Welt/etc. nicht ernähren. Deswegen hungern Menschen. Gerade die armen Menschen bekommen viele Nachkommen. Also sind die armen Schuld daran, dass sie hungern.

Ich gehe mal davon aus, dass du nicht ganz das meintest. Falls doch, würde ich da eingreifen und das Argument angreifen wollen, aber falls nicht, können wir es auch einfach liegen lassen. :-)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 19:16
garou
Dabei muss man dann noch zwischen jenen Taten unterscheiden, bei denen zwischen den Parteien eine Meinungsverschiedenheit herrscht, und bei denen die Gemeinschaft sich angegriffen fühlt, z.B. durch Mord. Im ersten Fall bedarf es eines Mediators, der eine Einigung erzielt, aber das ist glaube ich auch nicht das Problem.
Glaubst du denn tatsächlich, dass sich durch einen Mediator wirklich immer eine Einigung finden lässt? Schon kleine Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten zeigen doch, dass diese Einigung zu finden alles andere als einfach ist und häufig (meistens?) nicht beide Seite zufrieden stellt.
Ich denke, es geht hier nicht um das Friede-Freude-Eierkuchen-zufrieden, sondern mehr um das diese-Sache-ist-jetzt-erledigt-und-vorbei-zufrieden. Heutzutage bedienen sich die Mediatoren der Umverteilung materieller Güter als Mittel zur Herstellung dieses Friedens, was mich persönlich glauben läßt, daß ein auf Vermittlung zwischen den Positionen ausgelegter Prozeß (pun intended) eigentlich nur eine Verbesserung darstellen kann.

Das Problem ist viel mehr der zweite Falle. Eine Lösung dafür besteht in von der Kommune/Gruppe gewählten Gerichten, die sich den Sachverhalt ansehen und… Naja, Gerichte halt. Wichtig in diesem Fall, dass diese gewählt sind und nicht eingesetzt werden. Zielsetzung des Ganzen ist keine Bestrafung des „Übeltäters“, sondern das Heilen der entstandenen (seelischen) Wunden und das Lernen aller Beteiligter. Ein Übeltäter wird demnetsprechend im Normalfall auch nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen (Gefängnis, Psychiatrie), sondern eingebunden (Hilfe bei Reparaturen,.das Miterleben der verursachten Schmerzen). Der Lerneffekt wird durch sozialen Druck und die öffentliche Meinung erzielt.
Auch hier halte ich es für realitätsfern zu glauben, dass diese "milden Strafen", die es in unserem Rechtssystem ja ebenfalls gibt und sehr häufig Anwendung finden, immer oder in den meisten Fällen funktionieren werden.
Nix Strafe. Lernprozeß. Sieht manchmal ähnlich aus, ist aber was anderes.
Aber ja, heutige Gerichte tun manchmal ähnliches, also könnten sie vielleicht doch funktionieren?

Als härteste Strafe bleibt die Verbannung: Wir sehen keine Möglichkeit mehr, mit dir zusammenzuleben. Verschwinde. Eventuell kommen Andere besser mit dir klar.
Und wie wird denn eine Verbannung realisiert? Wer hindert eine verbannte Person daran, die Verbannung zu missachten und viellleicht noch jemanden zu töten oder Allgemeingut zu zerstören bzw. zu entwenden?
Nun… In einer Welt, in der eine Polizeiuniform nur ein schnittig aussehendes Stück Stoff ist, ist jeder damit konfrontiert, daß das einzige, was zwischen ihm und einem Lynchmob mit Fackeln und Mistgabeln steht, der andere Mob ist, der es nicht gerne sieht, wenn man Lynchmobs bildet. Wer in einer Welt, deren Maxime ist, keinen Zwang auszuüben, diese einfache Regel (bzw. diese einfach erscheinende Regel, schließlich ist Zwang der Nagel der Anarchie) verletzt, könnte erleben, wie diese Regel daraufhin ihm gegenüber verletzt wird. Und da wir alle keine Lynchmobs an der Tür haben wollen, bestimmen wir Leute, von denen wir glauben, daß sie unseren Fall distanziert und neutral betrachten und eine mögliche Lösung finden bzw. die Wahrheit über Schuld und Unschuld herausfinden können, und geben anderen die gleiche Möglichkeit.
Klingt das so fremd?

Wer sich jetzt wundert, wie man in einer Anarchie Macht ausüben kann, um andere zu sowas zu zwingen, hat durchaus einen Punkt. Hier entscheidet die Gemeinschaft (in direkter Demokratie), sich über das Individuum zu stellen. Aber eine Option darf dabei nicht entfernt werden, nämlich die der getrennten Wege. Wenn ich finde, dass ich richtig handle, aber die Gemeinschaft hier mir widerspricht, und weder die Gemeinschaft noch ich mich ändern wollen, dann bin nicht ich „falsch“, ist nicht die Gemeinschaft „falsch“, sondern sind wir einfach unterschiedlich, und dann ist es das Beste, wenn man getrennte Wege geht – am Besten sollte ich mir eine neue Gemeinschaft suchen, in der ich besser hineinpasse. Eigenständige, freiwillige „Verbannung“ bzw. „Exil“.
Das sind ganz explizit die Grundsätze unserer heutigen Gesellschaft, die du hier beschreibst. Niemand hindert dich daran unsere Gemeinschaft zu verlassen und dir eine andere Gemeinschaft zu suchen. Niemand verbannt andere Einstellungen als falsch, sondern unser pluralistischen System begrüßt sie sogar noch. Ich sehe hier keine Unterschiede zu dem System, das wir jetzt haben.
Die Möglichkeit der getrennten Wege zur Lösung eines Vorfalls gibt es heutzutage nicht, moderne Gesellschaften versuchen sogar, diese Leute zwangsweise wieder in die Gesellschaft einzupassen, das nennt sich dann Gefängnis.

Ich habe bisher nur zwei Unterschiede zwischen dem Anarchismus, wie du ihn hier darstellst, und dem Liberalismus bzw. Neoliberalismus, der unser jetztiges System ja entscheidend prägt, entdeckt:
Der größte Unterschied ist mit Sicherheit die Abschaffung des privaten Eigentums.
…bei den Anarchokommunisten. Allerdings ist eine derart grundlegende Entscheidung durchaus von globaler Tragweite, weshalb es hierbei, wenn man versuchen sollte, Systeme mit und ohne Eigentum nebeneinander existieren zu lassen, zu Reibungen kommen kann.

Da sehen ich im wesentlichen das Problem (Stichwort Allmende aus IMG4), dass wenn alle Güter Allgemeineigentum sind, diese eine Abnutzung bis zur Unbrauchbarkeit erfahren.
Du meinst Abnutzungen, wie sie derzeit durch Privatisierungen und dadurch entstehende Zwänge passieren?

Der zweite Unterschied, der mir aufgefallen ist, ist, dass Machthierarchien nur durch direkte Wahlen zustande kommen und lediglich imperative Mandate zustanden kommen.
Und da die Mandate imperativ sind, ist die Hierarchie nicht mal eine.

Diese Konzepte von Demokratie halte ich für durchaus diskussionswürdig, jedoch muss man die starken Effizienzeinbußen akzeptieren, zu denen diese führen.
Danke, daß du das ansprichst, ich frage mich bei solchen Argumenten nämlich schon seit geraumer Zeit: Wie/woran mißt man die Effizienz eines Entscheidungsfindungsprozesses und nach welchen Kriterien wägt man Effizienz und Demokratie gegeneinander ab?

Was mich jetzt noch interessieren würde ist, wie in einem solchen System, wo es weder einen Preis, wie in der Marktwirtschaft, noch eine zentrale Planungsinstanz, wie in anderen Systemen, gibt, Angebot und Nachfrage synchronisiert werden sollen.
Mangel führt zu Nachfrage, Nachfrage zu Arbeitsinvestition, Arbeit führt zu Angebot. Wozu sollte man durch einen Preis eine künstliche Verknappung erzeugen?

Das System führt langfristig zu einer deindustrialisierung und auch wenn man den damit verbundenen Verzicht auf alle Luxusgüter akzeptieren mag, so hört die Bereitschaft zum Verzicht spätesten bei der Grundversorgung mit Nahrungsmitteln auf. Um alle Menschen, insbesondere unter Berücksichtigung des Wachstums der Meschheit, ernähren zu können, muss jedoch eine effiziente Allokation von Ressourcen stattfinden und es muss eine hohe Effizienz erreicht werden. Ich sehe eben nicht, wie das in einem anarchistischen System langfristig erreicht werden kann.
Da gäbe es zum Beispiel Relokalisierung, das 100 miles dinner ist ein beliebtes Stichwort. Viele der Dinge, die wir täglich essen, sind durch halb oder sogar zweimal durch Europa gefahren worden, was ich nicht unbedingt als eine effizient bezeichnen würde. In Afrika und Indien gab es auch mehrere Projekte zur Reetablierung lokaler Nahrungserzeugung, was durch die sinkenden ökonomischen Zwänge zu intensiven Revitalisierungen der jeweiligen Orte führte: Blühende Felder durch wiederhergestellte Bewässerungssysteme, Schulen, die wieder Lehrer einstellen können, Kinder, die nicht verhungern. Dazu muß man natürlich dem Zwang zur Kostenminimierung mal zuwider handeln und eine minimale Infrastruktur wie z.B. Zisternen und Pumpen bootstrappen und vom Modell der weltweiten Nahrungsmittelumverteilung abkommen, aber dann funktioniert es anscheinend bestens.
Und wie es zur Deindustrialisierung kommen soll, würde ich auch gerne nochmal wissen. Oder überhaupt der Gedanke, daß in einer anarchistischen Gesellschaft alles ganz anstatt nur etwas anders wird.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 19:54
Slater
Und wie es zur Deindustrialisierung kommen soll, würde ich auch gerne nochmal wissen. Oder überhaupt der Gedanke, daß in einer anarchistischen Gesellschaft alles ganz anstatt nur etwas anders wird.

tja, ohne ein vorhandenes Beispiel läßt sich sowas gar nicht absehen,

mich erinnern die ganzen Geschichten hier an die Ureinwohner aus der Steinzeit,
oder meinetwegen die Indianer 1492 in Amerika,
kleine unabhängige Stämme, freie Länder,

was können die schon mehr erreichen außer sich Waffen bauen und Zelte aus Fellen?
ne Sprache gabs wohl auch schon,
(bin nicht so geschichtsfest, bitte nicht steinigen ;) )

alles was jemals eine Zivilisation höheres erreicht hat gabs doch wohl in anderen Systemen,
Technik und Kultur braucht doch Grundlagen, verlässliche Strukturen und Verbreitung

wenn die Welt völlig unkontrolliert wäre, würde selbst der heute erreichte Standard nicht haltbar sein,
weltweite Banken wären unmöglich bzw. das Geld ja sogar abgelehnt,
kein Rohstofftransport, kein Handel, keine Strom, kein Buchdruck, keine Bildung, kein Gedankenaustausch über das Nachbardorf hinaus,
Stillstand in allen Bereichen,

Krankenhaus wurde hier ja genannt, undenkbar, ein Medizinmann wäre wieder das höchste der Gefühle, wie bei den Indianern damals,
ich bin mir sicher, dass man sich nichtmal einigen könnte, Zahnpasta für das ganze Land herzustellen,
für so eine Simplizität sind tausende Prozesse nötig die durchs Land greifen,

absolute Grundlagen wie Kartoffelanbau wäre nur mit größter Mühe über die Zeit zu retten,

und was immer an Standard über Steinzeit-Nivau in bestimmten Gegenden gehalten wird,
würde bei Umweltkatastrophen wie Hurricans verwüstet werden, ohne Möglichkeiten zum Wiederaufbau,
zumal solche Situationen dann oft zu Plünderungen & Co. führen

warum? tja, so richtig kann man das unmöglich nachvollziehen, da steht nur Meinung gegen Meinung,
ich habe da den Film Postman von Kevin Coster vor Augen, oder Bürgerkriegsgebiete in Afrika,
die Menschen sind von Natur aus nicht nett/ sozial/ organisiert.. (über Steinzeit-Niveau hinaus)

andererseits wurde ja auch schon gesagt: nix spricht gegen einen Rückfall in die Steinzeit,
vielleicht gar wieder wie die Affen leben, alles möglich..

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 20:02
Marrow
Ich mag mich täuschen, aber hatten nicht auch Indianerstämme eine hierarchische Struktur? (Häuptling, Ältestenrat…)

Zum Thema Effizienz: Wenn ein Großteil der Bürokratie wegfallen würde, hätten vielleicht viele Menschen Zeit für anderes. [28]
Davon abgesehen gibt es einige Überproduktionen (z. B. Milch in Deutschland) und wie viel im Laden steht, bis es entsorgt wird (also ungenutzt, verdorben, veraltet, was auch immer), ist vermutlich auch kaum abzuschätzen.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 20:14
Slater
klar, lokale Struktur kleiner Dörfer/ Stämme, so wie es die Anarchisten auch haben würden,
solange es dabei bleibt und nicht 100.000 auf einen (gewählten Herrscher oder Diktator) hören, hat man eben Steinzeit

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 20:28
garou
Und wie es zur Deindustrialisierung kommen soll, würde ich auch gerne nochmal wissen. Oder überhaupt der Gedanke, daß in einer anarchistischen Gesellschaft alles ganz anstatt nur etwas anders wird.

tja, ohne ein vorhandenes Beispiel läßt sich sowas gar nicht absehen,
…und wird es hier doch immer wieder getan.

mich erinnern die ganzen Geschichten hier an die Ureinwohner aus der Steinzeit,
… Häh?

oder meinetwegen die Indianer 1492 in Amerika,
kleine unabhängige Stämme, freie Länder,
, eine kleine Handvoll von Nationen im Gebiet der heutigen USA, zu denen sich die Stämme in anarchistischem Bund föderalisierten, Pyramidenbauten in Mittelamerika, riesige Kunstwerke, die man erst durch Zufall beim Überflug entdeckt hat, kilometerlange schnurgerade Straßen durch den Urwald, Steinschnitttechnicken, die man bis heute nicht versteht, Schrift, ausgeklügelte Kuriersysteme… Zugegebenermaßen ist es etwas seltsam, daß die nomadischen Stämme im Norden noch nicht einmal das Rad erfanden, aber abgesehen davon, wieviel Entwicklung erwartest du in einem Gebiet, das nur wenige Rohstoffe bietet? Meines Wissens gab es an der Erdoberfläche in Amerika einfach nicht viel Zinn, Kupfer oder Eisenerz.

alles was jemals eine Zivilisation höheres erreicht hat gabs doch wohl in anderen Systemen,
Bitte was?

Technik und Kultur braucht doch Grundlagen, verlässliche Strukturen und Verbreitung
Technik braucht einen, der den Trick macht, und viele, die ihn kopieren, weil er so praktisch ist. Kultur braucht die Leute, die sie leben. Beides hat nichts mit zentralistischer, hierarchischer Organisation zu tun.

wenn die Welt völlig unkontrolliert wäre, würde selbst der heute erreichte Standard nicht haltbar sein,
Warum?

weltweite Banken wären unmöglich bzw. das Geld ja sogar abgelehnt,
Und das schlechte daran wäre… was?

(hier viele Dinge weggeschnitten)

warum? tja, so richtig kann man das unmöglich nachvollziehen, da steht nur Meinung gegen Meinung,
ich habe da den Film Postman von Kevin Coster vor Augen,
die Menschen sind von Natur aus nicht nett/ sozial/ organisiert.. (über Steinzeit-Niveau hinaus)
Haben wir den gleichen Film gesehen? Wenn ich mich richtig erinnere, spielte Costner da den Postboten, der die Aufgabe der Wiedervernetzung der versprengten übriggebliebenen Siedlungen in Angriff genommen hat, ohne daß ihn jemand beauftragt hätte, ohne daß es ihm am Anfang auch nur gedankt worden wäre, und durch diese Anfangsbemühung entsteht ein sich schnell verdichtendes Kommunikationsnetz, eine gemeinsame Front gegen die marodierende Despotenhorde und letztendlich die Neugründung der Nation.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 20:49
Slater
> letztendlich die Neugründung der Nation.

ja das ist ja auch das paradoxe daran, ich habe natürlich nur die normalen Menschen vor Augen, die in einer solchen Situation natürlich schleunigst wieder eine gemeinsame Demokratie aufbauen und damit dem Verfall Einhalt gebieten,

wenn die gegebenen Strukturen nicht durch einen Krieg zerstört werden sondern aus freien Stücken durch eine andere Form des Zusammenlebens ersetzt werden,
dann passiert das überlegt, dann werden die Menschen ja ganz anderes damit umgehen,

aber das ist eben eine andere Welt, die ich nicht beschreiben kann,
da kann man natürlich genausogut sagen, dass alles so bleibt wie es ist

> Technik braucht einen, der den Trick macht, und viele, die ihn kopieren, weil er so praktisch ist.
> Kultur braucht die Leute, die sie leben. Beides hat nichts mit zentralistischer, hierarchischer Organisation zu tun.

übersteigt in der Gesamtheit wieder meinen Horizont,
aber glaubst du wirklich, dass sich große Erfindungen wie Eisenbahn, Computer, Autos und Kraftwerke
von ganz klein auf zu dem entwickeln, was sie heute sind?

irgendwo fängst immer an, beim Buchdruck kennt man es ja,
beim Computer ebenso,
aber die großen Siliziumfabriken, Minituarisierung? Stromversorgung?

wenn nicht die einzelnen Erfindungen,
was ist dann mit den Punkten Massenproduktion zur Effizienz/ Fortschritt
+ wissenschaftlicher Austausch/ tausende Jahre Vorwissen aus Büchern/ Universitäten?

naja, bei allem kann man sagen, dass das vorhanden ist/ bleiben wird


mit wissenschaftlicher Austausch meine ich auch die Kultur , gesellschaftliches Denken,
überhaupt jemanden zu kennen der nicht im eigenen Dorf leben,
Zeitungen, Radio, Fernsehen, Internet,
gibts alles nicht, was natürlich wiederum die nicht belegte These ist,
belegen kann man das nunmal nicht,

wenn die ganze Welt ohne gemeinsame Grundlagen Hand in Hand arbeitet,
dann wird alles funktionieren,
das ist wohl die angenommene Voraussetzung


edit:

> >weltweite Banken wären unmöglich bzw. das Geld ja sogar abgelehnt,

> Und das schlechte daran wäre… was?

die Unmöglichkeit, Fabriken zu bauen, Erfindungen zu verbreiten, Handel usw., alles über Steinzeit wie immer,
aber dass Geld keine Rolle spielt hatte ich im ersten Halbsatz ausgelassen,
insofern muss es ja wirklich anders laufen

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-22 21:14
Slater
ein vielleicht noch unklarer Punkt:
keine Regierung erfindet Computer oder schreibt Gedichte/ Zeitungen,

eine Regierung sorgt für eine gemeinsame Sprache, für Normen (und sei es DinA4), Gesetze (+ Einhaltung), Schulsystem, Handelskonventionen, Verbindungen zwischen Städten, StVO, Katastrophenschutz und ähnliches,
und organisiert die tagtäglichen Grundlagen wie Polizei, Nahrung, Strom, Wasser,

als aller Wichtigstes natürlich eine Währung, das ist wohl der entscheidene Reibepunkt ;)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-23 02:00
Anonymer User
Und wie es zur Deindustrialisierung kommen soll, würde ich auch gerne nochmal wissen. Oder überhaupt der Gedanke, daß in einer anarchistischen Gesellschaft alles ganz anstatt nur etwas anders wird.

tja, ohne ein vorhandenes Beispiel läßt sich sowas gar nicht absehen,

Die bisher vorhandenen Beispiele lassen den Schluss nicht zu. Wie viele brauchen wir?

mich erinnern die ganzen Geschichten hier an die Ureinwohner aus der Steinzeit,
oder meinetwegen die Indianer 1492 in Amerika,
kleine unabhängige Stämme, freie Länder,

Das anarchistische Spanien umfasste größere Teile der Bevölkerung mehrerer Bereiche (Das "Bundesländer"-Äquivalent, weiß grad nicht, wie das da heißt). Zu sagen, dass wir hier von kleinen, unabhängigen Kommunen sprechen, ist in etwa so zutreffend, wie die Behauptung, dass modulare Software keine größeren Programme sein können, weil die Module ja so klein sind.

Schöne Abhandlung zu dem Thema übrignes hier.

alles was jemals eine Zivilisation höheres erreicht hat gabs doch wohl in anderen Systemen, Technik und Kultur braucht doch Grundlagen, verlässliche Strukturen und Verbreitung

Auch wenn ich dem nicht unbedingt zustimme - inwiefern ist das in den bisherigen Vorschlägen weniger gegeben als bisher? Heißt "verlässlich" für dich in erster Linie, dass Menschen zu etwas gezwungen werden?

wenn die Welt völlig unkontrolliert wäre, würde selbst der heute erreichte Standard nicht haltbar sein, weltweite Banken wären unmöglich bzw. das Geld ja sogar abgelehnt,
kein Rohstofftransport, kein Handel, keine Strom, kein Buchdruck, keine Bildung, kein Gedankenaustausch über das Nachbardorf hinaus, Stillstand in allen Bereichen,

Wie kommst du auf diese ganzen Vermutungen?

Deine Vermutungen basieren irgendwie auf Annahmen, die ich absolut nicht nachvollziehen kann, und die bei den bisherigen Versuchen auch irgendwie nicht bestätigt wurden.

warum? tja, so richtig kann man das unmöglich nachvollziehen, da steht nur Meinung gegen Meinung, ich habe da den Film Postman von Kevin Coster vor Augen, oder Bürgerkriegsgebiete in Afrika, die Menschen sind von Natur aus nicht nett/ sozial/ organisiert.. (über Steinzeit-Niveau hinaus)

Die Bürgerkriege in Afrika sind ganz interessant, ja. Aber aus verschiedenen Gründen.

Die Aussage, dass Menschen von Natur aus nicht nett sind, ist so leider nicht haltbar, auch wenn sie gerne wiederholt wird. Menschen sind "von Natur aus" in etwa so nett wie sie un-nett sind, und Kooperation ist bei Menschen eine recht verbreitete Verhaltensweise.


Slater, ich wäre dir übrigens dankbar, wenn du den abfälligen Tonfall weglassen könntest. Ich finde das, was du geschrieben hast, nicht schlecht, aber wie du das schreibst, finde ich unverschämt. Versuche doch bitte deine Gesprächspartner ernst zu nehmen. Bisher war das ein wirklich schöner Thread, in dem man sich gegenseitig informiert hat. Du willst dich nicht informieren, du willst anderen sagen, wie dumm sie sind. Das finde ich recht.. ungünstig. Du kannst das besser, probier mal :-)

Anarch

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-23 15:42
Androgyner User
Tatsache ist eins. Jeder politisch interessierte und rationale Mensch kann für seine Überzeugung einstehen und Argumente bringen. Völlig egal, ob das jetzt ein Anarchist, Neoliberaler oder gar Nationalsozialist ist. Jeder kann innerhalb seiner Annahmen und innerhalb seines Gedankengebäudes eine schlüssige Argumentation vorweisen. Aber keiner kann diese Annahmen beweisen. Weder kann man beweisen, dass eines der Systeme dauerhaft gut funktionieren würde, noch kann man beweisen, dass eines der Systeme unbrauchbar ist. Alles eine Sache der Ansicht. Deswegen WIRD UND KANN es auch keine Einigung zwischen den Kontrahenten geben.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-23 15:47
Anarch
Tatsache ist eins. Jeder politisch interessierte und rationale Mensch kann für seine Überzeugung einstehen und Argumente bringen. Völlig egal, ob das jetzt ein Anarchist, Neoliberaler oder gar Nationalsozialist ist. Jeder kann innerhalb seiner Annahmen und innerhalb seines Gedankengebäudes eine schlüssige Argumentation vorweisen. Aber keiner kann diese Annahmen beweisen. Weder kann man beweisen, dass eines der Systeme dauerhaft gut funktionieren würde, noch kann man beweisen, dass eines der Systeme unbrauchbar ist. Alles eine Sache der Ansicht. Deswegen WIRD UND KANN es auch keine Einigung zwischen den Kontrahenten geben.

Schön gesagt, und stimmt vollkommen.

Man kann allerdings in solchen Diskussionen die Koheränz des eigenen Weltbildes testen, durch Argumente hinterfragt bekommen, und somit das ganze verbessern, ebenso wie man versuchen kann den Gedankengang anderer zu verstehen und zu sehen, wieso diese so ein Weltbild haben. Macht mir eigentlich viel Spaß. :-)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-25 12:32
garou
wie kann denn in einem anarchistischen System […] die Einhaltung einfacherer Regeln des menschlichen Zusammenlebens […] gewährleistet werden?
So zum Beispiel.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-26 11:46
Harzilein
Gut, ich hab mir eben aufm Weg durchs Wohnheim folgende Überlegung gemacht: Was ist wenn die Leute aus dem Krankenhaussyndikat feststellen, dass sie _privat/persönlich_ nicht mit dem Pfleger können? Momentan würde man ja anfangen bei den arbiträren Regeln etwas genauer hinzusehen um ihn dann "als Chef" loswerden zu können.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-26 11:57
Anarch
Gut, ich hab mir eben aufm Weg durchs Wohnheim folgende Überlegung gemacht: Was ist wenn die Leute aus dem Krankenhaussyndikat feststellen, dass sie _privat/persönlich_ nicht mit dem Pfleger können? Momentan würde man ja anfangen bei den arbiträren Regeln etwas genauer hinzusehen um ihn dann "als Chef" loswerden zu können.

Man könnte mit ihm reden. Dass manche Menschen einfach nicht miteinander auskönnen ist ja durchaus normal, und heißt auch nicht gleich, dass einer der Beiden doof ist. Man redet, stellt fest, dass es kein Missverständnis war, und geht getrennter Wege.

Wäre mir jedenfalls ganz lieb so.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-26 13:51
Anonymer User
Aber der Pfleger will doch Zugang zum Produktionsmittel Krankenhaus. Die Kollegen mögen ihn aber nicht. Du setzt also den "besseren Menschen" voraus, der aus "gesundem Menschenverstand" entscheidet dann lieber ein anderes Krankenhaus zu suchen?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-26 13:52
Harzilein unterwegs
Obiger Beitrag is von mir.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-26 14:06
Anonymer User
Aber der Pfleger will doch Zugang zum Produktionsmittel Krankenhaus. Die Kollegen mögen ihn aber nicht. Du setzt also den "besseren Menschen" voraus, der aus "gesundem Menschenverstand" entscheidet dann lieber ein anderes Krankenhaus zu suchen?
Noch nie den Arzt gewechselt, weil dir einer nicht gefallen hat?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-26 14:08
Anarch
Aber der Pfleger will doch Zugang zum Produktionsmittel Krankenhaus. Die Kollegen mögen ihn aber nicht. Du setzt also den "besseren Menschen" voraus, der aus "gesundem Menschenverstand" entscheidet dann lieber ein anderes Krankenhaus zu suchen?

Prinzipiell, ja. Ist das so unwahrscheinlich? (Wir hatten gerade exakt so einen Fall, bei dem dann einvernehmlich entschieden wurde, dass man unterschiedliche Wege geht.)

Maßnahmen wie die Bitte, nicht mehr zu erscheinen, kann die KH-Selbstverwaltung durchaus durchführen. Dem Pfleger gehört das Krankenhaus nicht alleine, und das KH gehört auch nicht niemandem, sondern allen gleichberechtigt, die dort arbeiten (und bei einem KH eigentlich auch den Patienten).

Kommunistische Anarchisten werden dir sagen, dass er den Zugang zum KH nicht braucht um zu leben, und daher kein Problem haben dürfte halt was anderes zu machen. Mutualisten würden sagen, dass er dann halt im KH keine Bezahlung mehr bekommt, wenn das KH-Syndikat das so entscheidet.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-28 12:10
Slater
Und wie es zur Deindustrialisierung kommen soll, würde ich auch gerne nochmal wissen. Oder überhaupt der Gedanke, daß in einer anarchistischen Gesellschaft alles ganz anstatt nur etwas anders wird.

tja, ohne ein vorhandenes Beispiel läßt sich sowas gar nicht absehen,

Die bisher vorhandenen Beispiele lassen den Schluss nicht zu. Wie viele brauchen wir?
schon der zweite Hinweis darauf,

grummel, nun habe ich noch mal den Thread überflogen, aber kein Beispiel gefunden,

mich erinnern die ganzen Geschichten hier an die Ureinwohner aus der Steinzeit,
oder meinetwegen die Indianer 1492 in Amerika,
kleine unabhängige Stämme, freie Länder,

Das anarchistische Spanien umfasste größere Teile der Bevölkerung mehrerer Bereiche (Das "Bundesländer"-Äquivalent, weiß grad nicht, wie das da heißt). Zu sagen, dass wir hier von kleinen, unabhängigen Kommunen sprechen, ist in etwa so zutreffend, wie die Behauptung, dass modulare Software keine größeren Programme sein können, weil die Module ja so klein sind.
->
Syndikate sind für gewöhnlich auch ortsgebunden. Die Syndikate organisieren ihre Fabriken bzw. das Äquivalent selbst. In den Arbeiterbörsen schließen sich die Konsumenten einer Region zusammen (und auch hier wieder, es kann mehrere Arbeiterbörsen geben, Zugehörigkeit ist nicht zwangsweise, etc.). Die Arbeiterbörsen entscheiden über den Bedarf der dort zusammengeschlossenen Konsumenten, kommunzieren diesen Bedarf an die Syndikate, diese versuchen den Bedarf zu decken.
+ die ganze Krankenhausegeschichte, die auf vielleicht 100 Mitarbeiter dort schließen lässt
Aber ja, falls es ein Krankenhaus in einer Gegend ist, die sich mit Marktwirtschaft abgeben (z.B. Mutualisten), könnten sie die Preise festlegen wie sie wollen.

du musst dich nun schon unterscheiden, entweder 100.000 Menschen,
dann ist das ganze Gerede von direkter Dekokratie und Abstimmung/ Kompromiss finden dahin
(und 'ganzes Gerede' ist nicht abfällig ;) )
oder doch Dorfgemeinschaften in denen jeder jeden kennt,
ich kann natürlich nur aus den vorhanden interpretieren..

alles was jemals eine Zivilisation höheres erreicht hat gabs doch wohl in anderen Systemen, Technik und Kultur braucht doch Grundlagen, verlässliche Strukturen und Verbreitung

Auch wenn ich dem nicht unbedingt zustimme - inwiefern ist das in den bisherigen Vorschlägen weniger gegeben als bisher? Heißt "verlässlich" für dich in erster Linie, dass Menschen zu etwas gezwungen werden?
steht doch da, verlässliche Grundlagen,
in der Nachbarschaft wird die gleiche Sprache gesprochen, gibt es auch einen Supermarkt und ein funktionierendes Krankenhaus, usw usf,
so wie zwischen Karlsruhe und Stuttgart und nicht wie zwischen Freiburg und Strassburg,
ganz anderes Land, andere Sprache, andere Stormspannung, Schienenspurbreite, Luftdruck in den Autoreifen, Essen, Trinken, einfach alles
(potentiell, nicht unbedingt derzeit in der heutigen struktiruerten Welt)
Wie kommst du auf diese ganzen Vermutungen?

Deine Vermutungen basieren irgendwie auf Annahmen, die ich absolut nicht nachvollziehen kann, und die bei den bisherigen Versuchen auch irgendwie nicht bestätigt wurden.
so stelle ich mir das vor, wenn keiner den anderen kennt und jeder sein eigenes Süppchen kocht,
eine Vorstellung,

belegt nur die gesamte Menschheitgeschichte..,
überall auf der Welt entwickeln sich andere Sprachen und Vorstellungen,

nur durch lokale einzelne Kommunikation von einzelnen Menschen einzelner Gruppen läßt sich kein Konsens erstellen,
höchstens ganz pauschal über Frieden und so,
vielleicht mit größten Mühen in einzelnen Regionen minimale Gemeinsamkeiten wie Austausch von Rohstoffen, aber mehr ist nicht machbar

da spricht allein der Aufwand dagegen, vergleiche das mit einem lokalen Netzwerk mit Sterntopologie oder n zu n-Verbindung

dazu noch der Verzicht auf jedwegige höhere Gesetze, Verträge usw,
alles was mal kurz geschaffen wurde ist morgen vielleicht schon vergessen/ nicht mehr eingehalten
Slater, ich wäre dir übrigens dankbar, wenn du den abfälligen Tonfall weglassen könntest. Ich finde das, was du geschrieben hast, nicht schlecht, aber wie du das schreibst, finde ich unverschämt.
Beispiel? ich fand beim Schreiben den Satz
'ich habe natürlich nur die normalen Menschen vor Augen, die in einer solchen Situation natürlich schleunigst wieder eine gemeinsame Demokratie aufbauen'
leicht bedenklich, aber trifft es nun mal ganz gut,

und wie oben schon angedeutet, manche Satzbausteine wie 'ganzes Gerede' ist nun mal der passende Ausdruck ohne Wertung, nicht persönlich nehmen ;)

(und ich bin bis nächsten Montag noch im Urlaub, da könnten Antworten evtl. wieder dauern)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-28 16:31
Anarch
Die bisher vorhandenen Beispiele lassen den Schluss nicht zu. Wie viele brauchen wir?
schon der zweite Hinweis darauf,

Spanische Revolution (schönes Beispiel, große Teile des Landes, mit großen Industrien ebenso wie viel Landwirtschaft, für mehrere Jahre). Kleineres, wie die Ukraine und Makhno. Oder auch was aktuelleres, wie die Zapatistas.

du musst dich nun schon unterscheiden, entweder 100.000 Menschen,
dann ist das ganze Gerede von direkter Dekokratie und Abstimmung/ Kompromiss finden dahin
(und 'ganzes Gerede' ist nicht abfällig ;) )
oder doch Dorfgemeinschaften in denen jeder jeden kennt,
ich kann natürlich nur aus den vorhanden interpretieren..

Ich greife mal das bereits verwendete Beispiel wieder auf: Software entwickeln wir auch nicht entweder nur als kleine Programme, oder als große, monolithische Programme, sondern modularisieren.

Die anarchistische Idee besteht tatsächlich aus kleinen (bis mittelgroßen, schreibt ja keiner vor, wie groß die sein dürfen ;-)) Gemeinschaften, die aber nicht autonom und autark sind, sondern in Beziehungen mit anderen Gemeinschaften stehen.

Siehe dazu I.3.8 Do anarchists seek "small autonomous communities, devoted to small scale production"?.

so wie zwischen Karlsruhe und Stuttgart und nicht wie zwischen Freiburg und Strassburg, ganz anderes Land, andere Sprache, andere Stormspannung, Schienenspurbreite, Luftdruck in den Autoreifen, Essen, Trinken, einfach alles (potentiell, nicht unbedingt derzeit in der heutigen struktiruerten Welt)

Wie in der jetzigen Ordnung können auch Anarchisten miteinander kommunzieren und das einheitlich gestalten. Oder sie können es lassen, wenn die Bewohner es eben nicht für gut befinden.

so stelle ich mir das vor, wenn keiner den anderen kennt und jeder sein eigenes Süppchen kocht, eine Vorstellung,

belegt nur die gesamte Menschheitgeschichte..,

Genau da würde ich dir widersprechen. Die größten Unterschiede, die es gab, gibt es wegen staatlicher Vorschrift. Patriotismus, die Erhebung eines sehr künstlichen und sehr großen Bereichs der Karte zu "seiner Heimat", die natürlich "viel besser" ist als die anderen, sorgt dafür, dass man erstmal etwas anderes machen muss als die blöden Franzmänner, man kann es ja besser.

überall auf der Welt entwickeln sich andere Sprachen und Vorstellungen,

Sogar innerhalb Deutschlands.

nur durch lokale einzelne Kommunikation von einzelnen Menschen einzelner Gruppen läßt sich kein Konsens erstellen,

Es sollen die Menschen kommunizieren, die betroffen sind. Wenn das zu viele für eine große Diskussion sind, kann man mit Abgesandten mit imperativem Mandat arbeiten.

da spricht allein der Aufwand dagegen, vergleiche das mit einem lokalen Netzwerk mit Sterntopologie oder n zu n-Verbindung

Interessanterweise hat sich das Internet gegenüber einem Token Ring oder einem zentral gesteuerten Netzwerk durchgesetzt.

Slater, ich wäre dir übrigens dankbar, wenn du den abfälligen Tonfall weglassen könntest. Ich finde das, was du geschrieben hast, nicht schlecht, aber wie du das schreibst, finde ich unverschämt.
Beispiel?

solange es dabei bleibt und nicht 100.000 auf einen (gewählten Herrscher oder Diktator) hören, hat man eben Steinzeit

Du hörst dir kaum an, was dein Diskussionspartner zu sagen hat, und tust es gleich alles ab mit: Kann nicht klappen, tut nicht, geht nicht, das is Steinzeit, wer das Vertritt, will Steinzeit, Höhlenmenschen!

Finde ich nicht gut. Insbesondere, weil auf einige deiner Teil-Argumente schon im Thread eingegangen wurde. :-)

(und ich bin bis nächsten Montag noch im Urlaub, da könnten Antworten evtl. wieder dauern)

Schönen Urlaub noch :-)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-28 16:55
Slater
Spanische Revolution (schönes Beispiel, große Teile des Landes, mit großen Industrien ebenso wie viel Landwirtschaft, für mehrere Jahre).
ui, für mehrere Jahre..

für mehrere Jahrhunderte würde es nicht halten (dafür gibts keine Beispiele, das meine ich)
und vor allem der große Unterschied:
da wurde auf etwas zurückgegriffen was fertig funktionierend existierte (unter einem anderen System)
nicht selber vom nichts aufgebaut..

das habe ich ja auch so beschrieben: mit größter Mühe könnten vorhandene Strukturen erhalten werden,
aber nur solange alles gut geht..

irgendwann fehlt irgendwo ein Sack Mehl, ein Arbeiter macht seine Arbeit nicht,
drei weiter können nicht arbeiten, 10 weitere, 50 weitere, ..


Ich greife mal das bereits verwendete Beispiel wieder auf: Software entwickeln wir auch nicht entweder nur als kleine Programme, oder als große, monolithische Programme, sondern modularisieren.
?

Wie in der jetzigen Ordnung können auch Anarchisten miteinander kommunzieren und das einheitlich gestalten. Oder sie können es lassen, wenn die Bewohner es eben nicht für gut befinden.
das ist schlicht das was ich bezweigle, unter anderem,
das ist ein endgültiger Punkt, da kann man nicht viel weiterreden

wie schon mal gesagt: allein für die Produktion von Zahnpasta müssten tausende Dinge zusammenpassen

Du hörst dir kaum an, was dein Diskussionspartner zu sagen hat, und tust es gleich alles ab mit: Kann nicht klappen, tut nicht, geht nicht, das is Steinzeit, wer das Vertritt, will Steinzeit, Höhlenmenschen!

Finde ich nicht gut. Insbesondere, weil auf einige deiner Teil-Argumente schon im Thread eingegangen wurde. :-)

also dass es nicht klappen wird ist der Kern meiner Aussage,
wie soll ich den anders ausdrücken, als die ganzen Theorien als Schönmalerei darzustellen?

ich höre mir alles an und ich warte noch auf das erste Argument außer
- man kann alles bereden/ alles KANN klappen
- irgendwelche externe Links?!

ich selber habe auch keine Argumente außer Meinung, das ist ja klar

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-28 18:10
Anarch
Spanische Revolution (schönes Beispiel, große Teile des Landes, mit großen Industrien ebenso wie viel Landwirtschaft, für mehrere Jahre).
ui, für mehrere Jahre..

für mehrere Jahrhunderte würde es nicht halten (dafür gibts keine Beispiele, das meine ich)
und vor allem der große Unterschied:
da wurde auf etwas zurückgegriffen was fertig funktionierend existierte (unter einem anderen System)
nicht selber vom nichts aufgebaut..

das habe ich ja auch so beschrieben: mit größter Mühe könnten vorhandene Strukturen erhalten werden,
aber nur solange alles gut geht..

Unter größter Mühe, solange alles gut geht? Du meinst, solange es gut geht, während eines Bürgerkrieges, während ein übermächtiger Feind (Franco, unter massiver Unterstützung von Deutschland und Italien) einfällt, während man selbst kaum Unterstützung erhält (Russland, sehr spät im Krieg, nicht für die Anarchisten, nur für die Kommunisten), ernährt man das gesamte Land… Und kaum geht etwas schief (Republikaner und Kommunisten agieren massiv gegen Anarchisten, erzeugen einen Bürgerkrieg im Bürgerkrieg), dann fällt alles zusammen, ja, offensichtlich.

Entschuldige meinen Sarkasmus.

Ja, aber stimmt, es gibt keine 100 Jahre andauernde anarchistische Systeme so in kürzerer Vergangenheit. Aber was genau ist das für ein Argument? Es gab auch keine 100 Jahre andauernde Demokratie, als die Griechen mal auf die Idee kamen, und es hat trotzdem funktioniert.

Das ist allenfalls ein Totschlagargument, aber mit recht wenig Inhalt.

Die bisherigen Versuche gingen nie an inneren Problemen zugrunde, sondern immer an äußeren Einflüssen (genannt "Militär"). Das halte ich für kein indiz dafür, dass das "auf keinen Fall funktionieren kann".

Ich greife mal das bereits verwendete Beispiel wieder auf: Software entwickeln wir auch nicht entweder nur als kleine Programme, oder als große, monolithische Programme, sondern modularisieren.
?

Das Gegenteil von "ein zentraler Staat" ist nicht "viele kleine Staaten, die alle vollkommen unabhängig sind".

wie schon mal gesagt: allein für die Produktion von Zahnpasta müssten tausende Dinge zusammenpassen

Und?

also dass es nicht klappen wird ist der Kern meiner Aussage,
wie soll ich den anders ausdrücken, als die ganzen Theorien als Schönmalerei darzustellen?

Argumente wären schick. Also, mehr als "das klappt nicht, punkt".

ich höre mir alles an und ich warte noch auf das erste Argument außer
- man kann alles bereden/ alles KANN klappen
- irgendwelche externe Links?!

Bisher wurde diskutiert, wie es denn funktionieren könnte. Die korrekte Gegenargumentation ist das Aufgreifen der Beispiele und beschreiben, wieso das so nicht funktionieren kann, oder ein Gegenbeispiel. Auf "man könnte X, Y oder Z" ist "das klappt nicht" kein vernünftiges Gegenargument.

Und ich habe mich eigentlich bisher bemüht, die Argumente der jeweiligen Links zusammenzufassen, und den Link nur als "do you want to know more?" anzubringen.

Aber um es nochmal zu wiederholen, was ich ganz zu Beginn gesagt habe: Ich will hier niemanden zum Anarchisten machen. Ich bin kein Missionar. Ich will nicht, dass du hier weggehst und sagst "jau, das ist ne tolle Idee" (auch wenn es mich freuen würde). Was ich aber gerne hätte wäre, dass du hier weggehst und sagst "ja, könnte eventuell klappen, also ganz abwegig ist die Idee nicht."

Und das gilt eigentlich für jeden, der hier mitliest. :-)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-06-28 18:23
garou
Spanische Revolution (schönes Beispiel, große Teile des Landes, mit großen Industrien ebenso wie viel Landwirtschaft, für mehrere Jahre).
ui, für mehrere Jahre..

für mehrere Jahrhunderte würde es nicht halten (dafür gibts keine Beispiele, das meine ich)
und vor allem der große Unterschied:
da wurde auf etwas zurückgegriffen was fertig funktionierend existierte (unter einem anderen System)
nicht selber vom nichts aufgebaut..
Du willst also unbedingt erst das tausendjährige Reich der Anarchie sehen, bevor du's glaubst?
Bitteschön.

[offtopic]
Dekokratie
Danke für dieses Wort, das gefällt mir noch besser als Demagokratie.
[/offtopic]

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-01 23:42
Slater
Ja, aber stimmt, es gibt keine 100 Jahre andauernde anarchistische Systeme so in kürzerer Vergangenheit. Aber was genau ist das für ein Argument? Es gab auch keine 100 Jahre andauernde Demokratie, als die Griechen mal auf die Idee kamen, und es hat trotzdem funktioniert.
wie gesagt: alles was jemals auf dieser Welt Sinn gemacht hat (über längere Zeit),
entstand unter Demokratie oder anderer zentraler Regierung,

gut, dass ist kein endgültiger Beweis, schon gar nicht für ein theorisches Gedankengebilde,
aber wenn das nicht erwähnenswert ist, was dann?..

wobei übrigens gar nicht mal so sehr die Regierung an sich so wichtig ist,
sondern vor allem die Währung die sie vertritt,
das ganze Spiel kann man nämlich genauso nennen: alles Große dieser Welt vom Altertum an wurde erst mit Einführung von Geld und Handel erreicht,
und der Großteil der Staatsführung hat eh untrennbar mit dem Geld zu tun,
da liegt es durchaus nahe, die wegzulassen, wenn es eh kein Geld mehr gibt



Das Gegenteil von "ein zentraler Staat" ist nicht "viele kleine Staaten, die alle vollkommen unabhängig sind".
Software hat keinen eigenen Willen, sonst wäre sie genauso unkontrollierbar,

aber aus meiner Sicht macht es grundsätzlich keinen Sinn, das weiter zu verfolgen


also dass es nicht klappen wird ist der Kern meiner Aussage,
wie soll ich den anders ausdrücken, als die ganzen Theorien als Schönmalerei darzustellen?

Argumente wären schick. Also, mehr als "das klappt nicht, punkt".
es ist also unverschämt, keine klaren Argumente zu haben,
nun gut

ich höre mir alles an und ich warte noch auf das erste Argument außer
- man kann alles bereden/ alles KANN klappen
- irgendwelche externe Links?!

Bisher wurde diskutiert, wie es denn funktionieren könnte. Die korrekte Gegenargumentation ist das Aufgreifen der Beispiele und beschreiben, wieso das so nicht funktionieren kann, oder ein Gegenbeispiel. Auf "man könnte X, Y oder Z" ist "das klappt nicht" kein vernünftiges Gegenargument.
ich habe lange zugeschaut, aber die ganze Krankenhaus-Diskussion usw. bot ja nix greifbares,

erst mit 'Deindustrialisierung' kam ein interessanter Punkt auf,
einer sagte 'ja', einer 'nö', ich auch 'ja', bisschen bunt ausgemalt und sogleich mit dem Hinweis, dass das gar nicht (oder zumindest nicht spontan) zu begründen ist -> Meinung

echt unverschämt ;)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-01 23:57
Slater
Du willst also unbedingt erst das tausendjährige Reich der Anarchie sehen, bevor du's glaubst?
Bitteschön.
was genau unterscheidet die jetzt von 20.000 Jahren Steinzeit davor oder den Indianern in Amerika?

ich bin ja durchaus flexibel mit meiner 'zurückgeblieben'-Vorstellung,
Anno 1602, ein kleines Dorf, dass sich selber erhalten kann, Schied, Kirche, Mühle usw,
kein Industrialisierung, kein Strom, kein Wissen..
die Spanische Revolution im 18. Jhd mag größtenteils auch noch dazu gehören, obwohls da natürlich schon weitaus komplexer zuging, weshalb das ja auch über viele Jahre nicht klappen würde
(Textilindustrie, organisierter Rohstofftausch über 100te Kilometer und ähnliches)

also: wenn sich einzelne unabhängige Dörfer mit ihren Getreidefeldern drumherum ernähren können,
was ist daran bitte besonders? das funktioniert immer..

edit:
jaja,
Spanish revolution (1936 to 1939)

Main article: Spanish Revolution
See also: Anarchism in Spain

——-

und bevor jetzt jemand fragt ob denn nun alles vor dem 20. Jhd Steinzeit war:
es ist auch eine Frage was so passiert,
ein Anno 1602-Dorf oder diese lustigen Kelten können gerne schon das Rad, die Schrift, Theater & Co. von Römern und Griechen übernommen haben,
können ihnen gesellschaftlich aber nicht das Wasser reichen,
(edit: ach, 'lustigen' klingt vielleicht unverschämt, bitte so nicht wahrnehmen..)

in Rom wurde Weltgeschichte geschrieben,
bei den Kelten hat man alles von anderen geklaut und lebte man im 15. Jhd. noch genauso wie 1000 Jahre zuvor, sofern nicht weiterer Fortschritt von den Nachbarn importiert wurde..

ist natürlich erstmal nur eine provozierende These ;)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-02 16:18
Anarch
wie gesagt: alles was jemals auf dieser Welt Sinn gemacht hat (über längere Zeit),
entstand unter Demokratie oder anderer zentraler Regierung,

Nein. Was du sagst ist: Alles, was in den letzten 250 Jahren in unserer Zivilisation and "sinnvollem" entstand, entstand unter Demokratie. Du schließt einfach sämtliche Gegenbeispiele aus. Und wenn es dann doch mal ein Gegenbeispiel gibt, dann dauerte es einfach nicht lang genug (ich vermute, 20 Jahre Zapatistas sind auch noch nicht lang genug).

gut, dass ist kein endgültiger Beweis, schon gar nicht für ein theorisches Gedankengebilde, aber wenn das nicht erwähnenswert ist, was dann?..

Demokratie entstand aus Anarchie. Ohne Anarchie keine Demokratie.

Ein schwachsinniges Argument, aber wenn es nicht erwähnenswert ist, was dann? :-P

das ganze Spiel kann man nämlich genauso nennen: alles Große dieser Welt vom Altertum an wurde erst mit Einführung von Geld und Handel erreicht,
und der Großteil der Staatsführung hat eh untrennbar mit dem Geld zu tun,
da liegt es durchaus nahe, die wegzulassen, wenn es eh kein Geld mehr gibt

Du meinst so Sachen wie Freie Software, die ohne Geld und Handel gar nicht mehr möglich wären?

Über lange Zeit hinweg – große Teile im Altertum, große Teile des Mittelalters – wurde Geld übrigens praktisch ausschließlich für den Fernhandel verwendet, der sehr wenig Menschen offenstand. Bezahlung und Steuern wurde in Naturalien gemacht, viele waren Selbstversorger. Und man kann sich durchaus fragen, was „größer“ (in deiner Verwendung) ist: Eine Kathedrale, oder die gute Versorgung eines Dorfes mit Nahrungsmitteln. Wer „Kathedrale“ antwortet, dem kann ich nur sagen: Siehst du, da ist das Problem.

Aber ja, seit dem Siegeszug des Kapitalismus im späten 16. Jahrhundert basiert praktisch die gesamte westliche Zivilisation auf Handel und damit Geld. Das ist übrigens ein Bestandteil von Marx' schöner Analyse, diese absolute Reduktion von allem auf eine handelbare Ware. Praktisch alles – egal ob jetzt „groß“ oder „scheiße“ – wird erst mit Geld erreicht.

Glücklicherweise (für dich) gibt es ja durchaus Anarchisten, die Geld gar nicht abschaffen wollen. Die bereits mehrfach erwähnten Mutualisten finden Geld knorke, den freien Markt super, und arbeiten damit mit Begeisterung. Was sie ändern wollen ist allerdings die Gelderschaffung. Zur Zeit findet diese zentral über Zinsen statt. Das soll dezentral und zinslos geschehen. Gutes Buch dazu ist übrigens Lietaer's „The Future of Money“ – er hat da auch einige schöne Beispiele, wie vieles „Große“ (Pyramiden, Kathedralen, die hervorragende Lebensqualität im 11/12. Jh., der Boom eines österreichischen Dorfes trotz Weltwirtschaftskrise, etc.) durch eben eine andere Form der Geldschaffung hervorgebracht wurde.

Software hat keinen eigenen Willen, sonst wäre sie genauso unkontrollierbar,

Agentenorientierte Softwareentwicklung arbeitet genauso :-)

es ist also unverschämt, keine klaren Argumente zu haben,

Ja. Es ist unverschämt zu sagen "Das führt zur Steinzeit! Alles doof! Kann nicht klappen!", und auf die Frage "wieso?" keine Antwort zu haben.

Genauso unverschämt wäre es zu sagen "Demokratie funktioniert nicht! alles scheiße! geht kaputt!", ohne Argumente für diese Aussage zu haben (und beweisen, dass sie funktioniert, kannst du auch nicht: Keine einzige Demokratie lebt seit mehr als 100 Jahren). Ebenso unverschämt, wenn man das mit Kapitalismus tut, oder auch nur mit Universitäten.

erst mit 'Deindustrialisierung' kam ein interessanter Punkt auf,
einer sagte 'ja', einer 'nö', ich auch 'ja', bisschen bunt ausgemalt und sogleich mit dem Hinweis, dass das gar nicht (oder zumindest nicht spontan) zu begründen ist -> Meinung

Jemand fragte, ob das nicht zu deindustrialisierung führen würde. Dazu habe ich gesagt, dass ich das nicht glaube, und habe das begründet. Marrow fragte, ob das denn so schlimm wäre, wenn es passieren würde.

Du kamst an und sagtest in etwa „ja klar passiert das, genau so, die, die das wollen, wollen Steinzeit, etc.“ – und ja, das ist unverschämt in einer Diskussion, egal ob das deine Meinung ist oder nicht :-)

die Spanische Revolution im 18. Jhd

Falsches Jahrhundert, ich spreche von der 1936 bis 1938.

Die Glasindustrie (damals mit das komplexeste, was es gab) funktionierte gut, so selbstverwaltet. Rohstofflieferungen scheinen auch funktioniert zu haben. Und aufgehört zu funktionieren hat es, wie erwähnt, wegen dieser etwas unangenehmen hochgerüsteten Armee von Franco, die man mit veralteten Waffen leider nur zwei Jahre lang in Schach halten konnte.

diese lustigen Kelten können gerne schon das Rad, die Schrift, Theater & Co. von Römern und Griechen übernommen haben, können ihnen gesellschaftlich aber nicht das Wasser reichen,

Lass mich das noch mal zitieren:

it was a highly complex society that was, for centuries, the most advanced, most scholarly, and most civilized in all of Western Europe.

*shrug*

Edit:
bei den Kelten hat man alles von anderen geklaut und lebte man im 15. Jhd. noch genauso wie 1000 Jahre zuvor, sofern nicht weiterer Fortschritt von den Nachbarn importiert wurde..

Man sollte anmerken, dass die keltische Gesellschaft stark hierarchisch aufgebaut war, insofern freut es mich, dass du gegen hierarchische Systeme argumentierst, auch wenn mich dieser Umschwung doch etwas verwundert. ;-)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-02 19:01
Slater
Du schließt einfach sämtliche Gegenbeispiele aus. Und wenn es dann doch mal ein Gegenbeispiel gibt, dann dauerte es einfach nicht lang genug (ich vermute, 20 Jahre Zapatistas sind auch noch nicht lang genug).
du kannst das ab tun wie du willst, wenn dir sonst dazu nix einfällt,
so wie ich jedes Beispiel auseinandernehme, weil es eben die reine Wahrheit ist..

siehe
diese lustigen Kelten können gerne schon das Rad, die Schrift, Theater & Co. von Römern und Griechen übernommen haben, können ihnen gesellschaftlich aber nicht das Wasser reichen,

Lass mich das noch mal zitieren:

it was a highly complex society that was, for centuries, the most advanced, most scholarly, and most civilized in all of Western Europe.

*shrug*
soll mich dieser eine inhaltslose Satz jetzt überzeugen?
ich habe ja mal wieder sogar dazugeschrieben, dass es nur eine These ist,

aber was habe ich an Wissen vorliegen? Rom und Griechenland kennt jedes (westliche) Kind,
die Wiege der Welt usw.,
kann mich dagegen nicht erinnern von irgend etwas gehört zu haben, was die Kelten in ihrem Leben erreicht haben

dass sie besonders lieb zueinander waren (1000 Jahre Frieden oder zumindest nicht Selbstzerstörung, Rekord?),
umweltfreundlich, gesetzestreu, geistreich usw. will ich ja nicht beschreiten,
nie würde ich behaupten, dass Demokraten bessere Menschen sind, sein werden oder jemals waren,

aber rückständig sind sie (die Kelten), Stillstand, kein Fortschritt, ich bin immer noch beim Punkt Industrialisierung,
und sei es auch nur die Erfindung des Brückenbaus oder so
(ich könnt fairerweise eh nix sinnvolles nennen, was im Mittelalter so geschaffen wurde, Geschichtslücken ;) )



Demokratie entstand aus Anarchie. Ohne Anarchie keine Demokratie.

Ein schwachsinniges Argument, aber wenn es nicht erwähnenswert ist, was dann? :-P
manche nennen es eben Fortschritt, lass mir doch den Glauben..

Du meinst so Sachen wie Freie Software, die ohne Geld und Handel gar nicht mehr möglich wären?

Über lange Zeit hinweg – große Teile im Altertum, große Teile des Mittelalters – wurde Geld übrigens praktisch ausschließlich für den Fernhandel verwendet, der sehr wenig Menschen offenstand. Bezahlung und Steuern wurde in Naturalien gemacht, viele waren Selbstversorger.
Geld ist doch nur ein Mittel zum Zweck, Naturalientausch/ Abgaben oder
Fronarbeit für den Herrn sind doch das gleiche..


Und man kann sich durchaus fragen, was „größer“ (in deiner Verwendung) ist: Eine Kathedrale, oder die gute Versorgung eines Dorfes mit Nahrungsmitteln. Wer „Kathedrale“ antwortet, dem kann ich nur sagen: Siehst du, da ist das Problem.
ohne unverschämt zu sein: nur Nahrungsmittelversorgung ist meine Steinzeit-Sicht
erst mit 'Deindustrialisierung' kam ein interessanter Punkt auf,
einer sagte 'ja', einer 'nö', ich auch 'ja', bisschen bunt ausgemalt und sogleich mit dem Hinweis, dass das gar nicht (oder zumindest nicht spontan) zu begründen ist -> Meinung

Jemand fragte, ob das nicht zu deindustrialisierung führen würde. Dazu habe ich gesagt, dass ich das nicht glaube, und habe das begründet. Marrow fragte, ob das denn so schlimm wäre, wenn es passieren würde.

Du kamst an und sagtest in etwa „ja klar passiert das, genau so, die, die das wollen, wollen Steinzeit, etc.“ – und ja, das ist unverschämt in einer Diskussion, egal ob das deine Meinung ist oder nicht :-)

ich halte ja generell nix von deiner 'Unverschämtheit'-Debatte,
aber ich biege es trotzdem noch ins rechte Licht, solange es geht:

was du dazu gesagt hast, habe ich nicht direkt kommentiert,
sondern

1. Anonymer User: Das System führt langfristig zu einer deindustrialisierung
2. garou /(zitiert Ano. User): Und wie es zur Deindustrialisierung kommen soll, würde ich auch gerne nochmal wissen.
3. Slater (zitiert garou): das ist soundso

erst danach?! meldet sich Marrow (auf mein Post, nicht auf deins?!)
und danach sage ich 'bei Anarchisten gibts kleine Stämme, die meiner Meinung nach nicht mit einem 100.000 EW-Staat konkurrieren können, sondern auf Steinzeit-Niveau verweilen/ zurückfallen'
natürlich etwas schnippischer,
das ist meine Interpretation, wie sich die Welt unter diesen Bedingungen zwangsläufig entwickelt

was du da jetzt draus drehst.. 'die wollen Steinzeit'?

natürlich habe ich an anderer Stelle auch mal
andererseits wurde ja auch schon gesagt: nix spricht gegen einen Rückfall in die Steinzeit,
vielleicht gar wieder wie die Affen leben, alles möglich..
geschrieben, aber das ist doch ein ganz normales Argument?

wenn ich das als erster ins Spiel gebracht hätte, dann wäre es ja noch etwas verständlicher,
aber schon vorher war zu lesen
Wenn ich an die Dokumentationen über Naturvölker oder traditionell lebende Menschen (z. B. ein Dorf in China, die einzige Maschine ist ein Reisschäler) denke, ist mir dort nicht aufgefallen, dass die Menschen dort unglücklich sind. Eher im Gegenteil wirken die Menschen meist zufriedener auf mich.
wieso ist Marrow also nicht die Unverschämte ;)

aber wie gesagt, dieser ganze Teilbereich ist ziemlich kindisch ;)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-02 19:20
Anonymer User
Und man kann sich durchaus fragen, was „größer“ (in deiner Verwendung) ist: Eine Kathedrale, oder die gute Versorgung eines Dorfes mit Nahrungsmitteln. Wer „Kathedrale“ antwortet, dem kann ich nur sagen: Siehst du, da ist das Problem.
Schließt sich das etwa aus?

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-02 20:22
Marrow
aber was habe ich an Wissen vorliegen? Rom und Griechenland kennt jedes (westliche) Kind,
die Wiege der Welt usw.,
kann mich dagegen nicht erinnern von irgend etwas gehört zu haben, was die Kelten in ihrem Leben erreicht haben

dass sie besonders lieb zueinander waren (1000 Jahre Frieden oder zumindest nicht Selbstzerstörung, Rekord?),
umweltfreundlich, gesetzestreu, geistreich usw. will ich ja nicht beschreiten,
nie würde ich behaupten, dass Demokraten bessere Menschen sind, sein werden oder jemals waren,

aber rückständig sind sie (die Kelten), Stillstand, kein Fortschritt, ich bin immer noch beim Punkt Industrialisierung,
und sei es auch nur die Erfindung des Brückenbaus oder so
(ich könnt fairerweise eh nix sinnvolles nennen, was im Mittelalter so geschaffen wurde, Geschichtslücken ;) )

Vorreiter waren die Kelten bei der Weiterentwicklung des Wagens. Sie erfanden Drehschemellenkung und Federung. Die Römer übernahmen nicht nur technische Details, sondern auch Begriffe des Wagenbaus von ihnen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kelten#Technik

Lesen bildet doch immer wieder [23], anscheinend haben die Kelten keine Geschichtsführung betrieben, deswegen gibt es Informationen über die Kelten eigentlich nur von Römern.
Die Kelten vermieden es vermutlich bewusst, gesellschaftliche, religiöse oder ihre Tradition betreffende Inhalte schriftlich festzuhalten, wie beispielsweise Caesar berichtet. Es gibt aber sowohl eine Reihe Inschriften in griechischer Schrift als auch archäologische Nachweise von Schreibgerät aus den spätkeltischen Oppida, die Schriftlichkeit – besonders in wirtschaftlichen Belangen – und eventuelle Fremdsprachenkenntnisse, zumindest der Oberschicht, nahe legen.

Von der üblichen Schriftlosigkeit der keltischen Sprachen gab es nur wenige Ausnahmen:

Übrigens sehr interessant, wüsste gerne, warum.

China wollte ja auch nicht, dass sich ihr Wissen verbreitet (Schwarzpulver, Schubkarren…)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-02 20:28
Marrow
wenn ich das als erster ins Spiel gebracht hätte, dann wäre es ja noch etwas verständlicher,
aber schon vorher war zu lesen
Wenn ich an die Dokumentationen über Naturvölker oder traditionell lebende Menschen (z. B. ein Dorf in China, die einzige Maschine ist ein Reisschäler) denke, ist mir dort nicht aufgefallen, dass die Menschen dort unglücklich sind. Eher im Gegenteil wirken die Menschen meist zufriedener auf mich.
wieso ist Marrow also nicht die Unverschämte ;)
Ich habe nur etwas zu "traditionell leben" gesagt, nicht etwa, dass eine bestimmte Staatsform, Klimawandel, Atomkrieg, Raubbau an Ressourcen, zu viele Killerspiele (*scnr*) oder sonstetwas dazu führen wird.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-02 20:40
Slater
tja, und Anarch will mir irgendwie unterschieben, dass ich 'traditionell leben' als Schimpfwort verwende oder so

und bevor sich jetzt jemand über die Kelten freut:
das scheint nicht gerade die Epoche 5 Jhd. bis 15. Jhd. zu sein,
oder haben die Römer dass alles dann im 15 Jhd. übernommen? ;)

wobei man dann natürlich gerne sagen kann, dass eben vor den Römern die Kelten auf andere Weise lebten und viel geschaffen habe,
das bin ich bereit abzutreten, bin ja kein Unmensch ;)

wenn ich auch noch mal zitieren darf:
Die keltische Oppidakultur erlebte ab Ende des 2. bis ins 1. Jahrhundert v. Chr. ihre Blüte, wobei sie aufgrund ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Differenzierung, hochentwickelter Handwerks- und Kunstfertigkeit sowie des Fernhandels die Stufe zur Hochkultur erreichte.
Hochkultur u.a.:
Eine institutionalisierte Verwaltung (Planung, Hierarchie, organisierten Regierungs-, Rechts- und Verwaltungssystem und/oder einem schlagkräftigen Militärwesen)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-03 16:57
Anarch
Du schließt einfach sämtliche Gegenbeispiele aus. Und wenn es dann doch mal ein Gegenbeispiel gibt, dann dauerte es einfach nicht lang genug (ich vermute, 20 Jahre Zapatistas sind auch noch nicht lang genug).
du kannst das ab tun wie du willst, wenn dir sonst dazu nix einfällt,
so wie ich jedes Beispiel auseinandernehme, weil es eben die reine Wahrheit ist..

Um überzeugt zu werden, willst du ein Beispiel.

Beispiele bis ins 17. Jhd. (Island) sind dir zu alt.
Beispiele im 18. bis 19. Jhd. sind dir auch zu alt.
Und Beispiele im 20. Jhd. dauern dir nicht lange genug.

Daraus folgerst du nicht etwa, dass es bisher unsicher ist, ob es mit der aktuellen Welt klappen würde, sondern dass es nicht klappen kann.

Das ist dein argumentativer fehlschluss. Und ja, mehr als dir zu sagen, dass du dich nicht überzeugen lassen willst fällt mir dazu nicht ein. Inwiefern deine Meinung die "reine Wahrheit" ist, bleibt dir überlassen :-)

lass mich das noch mal zitieren:

it was a highly complex society that was, for centuries, the most advanced, most scholarly, and most civilized in all of Western Europe.

*shrug*
soll mich dieser eine inhaltslose Satz jetzt überzeugen?
ich habe ja mal wieder sogar dazugeschrieben, dass es nur eine These ist,

Offensichtlich eine unbegründete These.

These heißt, dass man eine Theorie aufstellt. Diese kann dann argumentativ untersucht werden. Wenn es gute Gründe für diese These gibt, kann man sie (vorerst) als "wahr" annehmen. Wenn es gute Gründe gegen diese These gibt, kann man das eben nicht. Nur weil eine These eine Meinung ist, ist sie nicht unantastbar und nicht argumentativ zu untersuchen :-)

aber was habe ich an Wissen vorliegen? Rom und Griechenland kennt jedes (westliche) Kind, die Wiege der Welt usw., kann mich dagegen nicht erinnern von irgend etwas gehört zu haben, was die Kelten in ihrem Leben erreicht haben

Wie Marrow ausgeführt hat, liegt das mehr an unserer Bildung, die recht Gräco-romanisch zentriert ist, als an den geschichtlichen Ereignissen.

Aber wieso reden wir über Kelten? Um die ging es gar nicht, es ging um Isländer. Kleiner Unterschied.

Demokratie entstand aus Anarchie. Ohne Anarchie keine Demokratie.

Ein schwachsinniges Argument, aber wenn es nicht erwähnenswert ist, was dann? :-P
manche nennen es eben Fortschritt, lass mir doch den Glauben..

Klar. Wieso bist du so fortschrittsfeindlich und willst nicht die Demokratie weiterentwickeln? ;-)

(Immernoch ein schwachsinniges Argument von mir)

Geld ist doch nur ein Mittel zum Zweck, Naturalientausch/ Abgaben oder Fronarbeit für den Herrn sind doch das gleiche..

Oh, ganz und gar nicht. Geld ist eine Handelsware. Fronabgaben sind kein Handel. Das ist eine recht interessante und wichtige Unterscheidung.

Das Problem, das viele Menschen hierbei haben, ist leider, dass unsere Gesellschaft vollständig auf Handel von Waren aufbaut. Das ist der Kapitalismus, den u.A. Marx kritisiert: Reiner Handel von Gütern als die Hauptinteraktion zwischen Menschen. Daraus entsteht der imaginäre Wert von Waren, etc. (Ich kann dazu Heinrich's "Kritik der Politischen Ökonomie - Eine Einführung" empfehlen)

Nicht jeder Gütertransfer zwischen Menschen ist Handel, aber nur aus Handel entsteht Geld.

natürlich habe ich an anderer Stelle auch mal
andererseits wurde ja auch schon gesagt: nix spricht gegen einen Rückfall in die Steinzeit,
vielleicht gar wieder wie die Affen leben, alles möglich..
geschrieben, aber das ist doch ein ganz normales Argument?

Gut, lassen wir das Argument über „unverschämt“, das ist mir auch eher latte ;-)

Das Problem ist, dass deine Ansicht („das fällt auf jeden Fall zurück auf Steinzeitniveau“ bzw. „die können sich nicht weiter entwickeln“) jetzt mehrfach mit Beispielen widerlegt wurde: Im Altertum (der Zeitraum wurde von dir aufgebracht) bis ins späte Mittelalter gab es in Island eine recht anarchistische Kultur, die sehr fortschrittlich war, teilweise fortschrittlicher als andere Bereiche in Europa. In der Moderne gab es mehrere Situationen, teilweise über Jahre (Spanische Revolution, Ukraine) und Jahrzehnte (Zapatistas) hinweg, in denen Länder(eien) anarchistisch Organisiert wurden und es funktionierte, ohne auf „Steinzeitniveau“ zurückzufallen, und recht problemlos darin, auch modernste Geräte effektiv zu verwenden (teilweise effektiver als zuvor, ich muss das mit der Glasindustrie in Spanien nochmal raussuchen).

Was genau ist jetzt dein Gegenargument gegen diese Beobachtungen?


Hochkultur u.a.:

Eine institutionalisierte Verwaltung (Planung, Hierarchie, organisierten Regierungs-, Rechts- und Verwaltungssystem und/oder einem schlagkräftigen Militärwesen)

Zum Glück steht da „und/oder“, d.h. man kann den Teil mit der „Hierarchie“ rauslassen und hat eine anarchistische Hochkultur :-)
(Die Kelten waren keine, nein. Wieso redet alle Welt über Kelten hier? ;-))

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-03 17:54
Slater
Beispiele bis ins 17. Jhd. (Island) sind dir zu alt.
Beispiele im 18. bis 19. Jhd. sind dir auch zu alt.
? nein

siehe z.B. meine Aussage
und bevor jetzt jemand fragt ob denn nun alles vor dem 20. Jhd Steinzeit war:
es ist auch eine Frage was so passiert,
[..]
in Rom wurde Weltgeschichte geschrieben,




Und Beispiele im 20. Jhd. dauern dir nicht lange genug.
hmm, sorry, was soll ich machen wenn meine These ist, dass der Verfall erst nach Jahren/ Jahrzehnten/ Jahrhunderten eintritt ;)

in 20 Jahren kann nix passieren, da sind immer noch die Menschen in den Fabriken, die unter der alten Schulordnung gelernt haben,
Arbeiter werden nicht ausgetauscht (schon gar nicht so wie in einer modernen Welt,
es bleibt ihnen ja praktisch nichts anderes übrig als in ihrem bisherigen Betrieb zu bleiben..),
Besitz nicht an Nachfolgegenerationen vererbt,
Maschinen & Straßen gehen nicht kaputt, oder jedenfalls nicht so dass es sich spürbar auswirken würde,
persönliche Handelsparter sterben nicht weg,
es werden keine technischen Revolutionen durchgeführt (Einführung des Internets) usw.,
Sprachen und Rechtschreibung verändern sich nicht unbedingt, Religionen entwickeln sich nicht weiter (in jedem Dorf unterschiedlich)
Rohstoffquellen versiegen nicht, Klima wandelt sich nicht ( ;) ) usw

wenn das alles fehlt, wie soll man so ein Beispiel akzeptieren?
natürlich passiert alles ein bisschen, aber wenn man heute einen Film aus den 80er Jahren anschaut,
fühlt man sich dann wirklich in einer anderen Welt?
wie ist es dagegen mit einem Western von 1880?

gut, das Fernsehbeispiel betrifft nur den fehlenden Fortschritt, nicht den Rückfall zur Steinzeit

Daraus folgerst du nicht etwa, dass es bisher unsicher ist, ob es mit der aktuellen Welt klappen würde, sondern dass es nicht klappen kann.
daraus folgere ich dass es kein Beispiel ist, es bei der Situation 'es gibt keine Beispiele' bleibt

dass es generell keine Beispiele geben kann, ist mir so oder so klar..


Geld ist doch nur ein Mittel zum Zweck, Naturalientausch/ Abgaben oder Fronarbeit für den Herrn sind doch das gleiche..

Oh, ganz und gar nicht. Geld ist eine Handelsware. Fronabgaben sind kein Handel. Das ist eine recht interessante und wichtige Unterscheidung.
Fronarbeit soll ja auch nicht Geld darstellen sondern Steuern..

Das Problem ist, dass deine Ansicht („das fällt auf jeden Fall zurück auf Steinzeitniveau“ bzw. „die können sich nicht weiter entwickeln“) jetzt mehrfach mit Beispielen widerlegt wurde: Im Altertum (der Zeitraum wurde von dir aufgebracht) bis ins späte Mittelalter gab es in Island eine recht anarchistische Kultur, die sehr fortschrittlich war, teilweise fortschrittlicher als andere Bereiche in Europa.
wieso soll ich dir das glauben wenn da nur der eine Satz steht, in dem nicht mal Industrialisierung direkt erwäht wird?
das akzeptiere ich so nicht ;)

zum Altertum: habe ich doch akzeptiert! wobei man da natürlich Verwässerungsabstriche machen muss,
irgendwann hat ja auch mal jemand das Feuer erfunden,
ich behaupte nicht, dass er oder sie dazu Industrie und Handel brauchte ;)
In der Moderne gab es mehrere Situationen, teilweise über Jahre (Spanische Revolution, Ukraine) und Jahrzehnte (Zapatistas) hinweg, in denen Länder(eien) anarchistisch Organisiert wurden und es funktionierte, ohne auf „Steinzeitniveau“ zurückzufallen, und recht problemlos darin, auch modernste Geräte effektiv zu verwenden (teilweise effektiver als zuvor, ich muss das mit der Glasindustrie in Spanien nochmal raussuchen).

Was genau ist jetzt dein Gegenargument gegen diese Beobachtungen?
zu den wenigen Jahren siehe oben,
außerdem ist zu bedenken: wenn die ganze Welt drumherum Fortschritt herbeiführt und z.B. das Internet aus anderen Ländern übernommen wird,
dann sind meine ganzen Überlegungen zu 'kein Fortschritt' doch obsolet,

dass ein kleines Dorf wie z.B. Monaco umgeben von der großen Welt mitgezogen wird,
ist doch eine offenliegende Tatsache..

Zapatistas hast du schon einmal erwähnt, aber was soll ich dazu sagen, wenn mein gesamter Wissenstand ist 'Zapatistas gibt es',
was bitte soll ich dir dazu sagen? also habe ich dazu bisher noch gar nix zu gesagt,

wenn ich mal auf die von garou zitierte Seite schaue
http://en.wikipedia.org/wiki/Anarchist_communities
dann steht da als erstes
The indigenous peoples of Southern Mexico rebelled in 1994,
wie das zu deinen Jahrzehnten zusammenpasst?..



Wieso redet alle Welt über Kelten hier? ;-))
->
http://en.wikipedia.org/wiki/Anarchist_communities
Celtic Ireland (650-1650)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-03 19:10
Anarch
dass es generell keine Beispiele geben kann, ist mir so oder so klar..

Ok, darauf können wir uns einigen. ;-)

Zapatistas hast du schon einmal erwähnt, aber was soll ich dazu sagen, wenn mein gesamter Wissenstand ist 'Zapatistas gibt es',
was bitte soll ich dir dazu sagen? also habe ich dazu bisher noch gar nix zu gesagt,

wenn ich mal auf die von garou zitierte Seite schaue
http://en.wikipedia.org/wiki/Anarchist_communities
dann steht da als erstes
The indigenous peoples of Southern Mexico rebelled in 1994,
wie das zu deinen Jahrzehnten zusammenpasst?..

Zitat von http://en.wikipedia.org/wiki/Zapatista_Army_of_National_Liberation:

The group was founded on November 17, 1983

Von mir aus auch 1993. 14 Jahre dann. Hilft ja nicht, wenn du erst 60 Jahre akzeptieren würdest. :-)

Wieso redet alle Welt über Kelten hier? ;-))
->
http://en.wikipedia.org/wiki/Anarchist_communities
Celtic Ireland (650-1650)

Doh self. Ich rede zu viel mit einem Bekannten, der studiert Geschichte und erzählt ständig von der Historie in Island (und das waren keine Kelten). Daher meine Verwirrung. Sorry :-)

Das Problem mit „den Kelten“ ist, dass es eben nicht eine einheitliche Organisationsform gibt, insofern ist es schwierig, Beispiele von „den Kelten“ zu verallgemeinern.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-07-03 19:22
Slater
Von mir aus auch 1993. 14 Jahre dann. Hilft ja nicht, wenn du erst 60 Jahre akzeptieren würdest. :-)
nicht dass ich mich nicht auf meiner Ultimo-Bedingung noch 46 Jahre ausruhen möchte ;)
aber wenn ich deinen Link kurz anschaue sehe ich grob weiterhin:

but they have supporters in urban areas as well as an international web of support.
ist das Selbstversorgung?

Strength
about 3000 insurgents and militia and tens of thousands civilian supporters (bases de apoyo)
wie kann man das überhaupt mit einem normalen Staat vergleichen?
haben die Krankenhäuser (-haus?), Fabriken, Zeitung usw?
klingt ja eher nach einem isländischen Dorf..

schick ist auch das Foto dazu auf der rechten Seite, sorry ;)
reicht wohl nicht mal für Steinhäuser oder Schilder aus Metall

aber ist natürlich auch schwer anders zu erwarten bei den ärmsten der Welt,
in solchen Gebieten kann man eh solche Experimente schwer durchführen

da finde ich das Spanien-Beispiel erfolgsversprechender, was immer die in ihrer kurzen Zeit vielleicht doch erreicht haben

RE: Anarchie und Demokratie 2007-09-22 22:04
T
die anarcho-syndikalisten haben eine fahradfabrik: http://www.strike-bike.de

RE: Anarchie und Demokratie 2007-09-22 22:54
garou
Was mir bei der Wiederbelebung dieses threads ins Auge fiel:

Die Mehrheit beherrscht nicht die Minderheit. Als Demokrat ist es Dein Wille, dass der Meinung der Mehrheit gefolgt wird, auch wenn sie nicht mit Deiner Meinung im einzelnen Fall nicht übereinstimmt.
Was impliziert das über Leute, die diesen Willen nicht teilen? Politische Systeme sind derzeit und hier regional inklusiv, nicht gruppenspezifisch. Sind deren Subjekte damit gezwungen, diese Maxime als ihre eigene anzunehmen? Oder sollten jene, die es nicht tun, von dem System ausgeschlossen werden?

Und besteht die hamburger Bürgerschaftsfraktion in Anbetracht des LbK-Verkaufs entgegen dem Volksentscheid damit aus Antidemokraten? (Nicht, daß wir in einer Demokratie anstatt einer republikanischen Oligarchie leben würden.)

RE: Anarchie und Demokratie 2007-09-22 23:33
Popcorn
Was impliziert das über Leute, die diesen Willen nicht teilen?
Wenn diese Gruppe in der Mehrheit ist, dann muss es wohl nicht geändert werden. Wenn nicht, dann gebietet nach meiner Meinung, die Fairness dass man sich halt zurücknimmt und der Mehrheit folgt, so lange diese in ihrer Haltung nicht böswillig ist.

Deswegen müssen sie es natürlich nicht gutheißen, genausowenig wie sie ausgeschlossen werden müssen.

RE: Anarchie und Demokratie 2007-09-23 01:11
Anonymer User
Es steht ihnen frei sich a) anzupassen b) das System zu dulden und mit Systemmitteln demokratisch dagegen zu agitieren, falls möglich oder c) das Land zu verlassen.