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BGE

BGE 2007-05-13 17:56
Anonymer User
Nein, hier gehts nicht um die "Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn", sondern um das Bedingungslose Grundeinkommen.

Unser Forenanarchist hat folgenden Link gepostert:
Straubhaar: “Das Grundeinkommen in Deutschland ist volkswirtschaftlich effizient und finanzierbar.” HWWI, 2007.

In diesem Link werden mehrere völlig unbelegte Behauptungen aufgestellt, die aber zentral für den Erfolg oder eben Misserfolg des Konzeptes sind. Ich zitiere:

*kostenneutral finanzierbar
*neue Arbeitsplätze werden geschaffen
*progressiven Steuerlast
*positive Beschäftigungseffekte v. a. im Niedriglohnbereich
*stimulierende Funktion für das wirtschaftliche Wachstum und den Arbeitsmarkt
*Rückgang der Schwarzarbeit

Dabei wird auch angemerkt:

*Menschen mit höheren Einkommen werden auch höher belastet.
*"eine Art Kombilohn für alle"

Jetzt erwarte ich von den BGE-Befürwortern aber einiges. Zunächst, was hält die Reichen davon ab in ein anderes Land abzuwandern? Die Steuerlast erhöht sich nämlich für sie empfindlich, das geben auch die Autoren zu.
Wieso sollten neue Arbeitsplätze geschaffen werden?
Die progressive Steuerlast beim Vorgestellten Konzept ist eine glatte Lüge und diese Lüge wird in der Statistik geschickt maskiert. Dabei wird die Wahrheit im Text erwähnt. Es ist eine hohe bis sehr hohe Flattax mit Freibetrag in Höhe des BGE.
Positive Beschäftigungseffekte im Nierdriglohnbereich, die stimulierende Funktion und der Rückgang der Schwarzarbeit werden überhaupt nicht begründet. Genau so gut könnte das Gegenteil eintreten. Kleine Jobs werden nicht angenommen, weil man auch so davon leben kann oder es wird schwarz gearbeitet, um der ansetzenden herben Flattax zu entkommen.
Ferner brauchen die Firmen nicht mehr Löhne zu zahlen, von denen man auch leben könnte. Sie entziehen sich der sozialen Verantwortung.
Mal von den massiven Umstellungsschwierigkeiten abgesehen, die zweifellos eintreten würden. Was man aber nicht durchgehen lassen kann ist das milchmädchenhafte abknüpfen der Renten und Pensionsansprüche in der Berechnung. Dabei können diese über dem BGE liegen. Soso…

Außerdem frage ich mich, warum ausgerechnet die von Liste Links und Co. so viel gescholtene Handwerkskammer sowas durchgehen lässt und warum die bösen neoliberalen Parteien plötzlich Interesse an dieser auf den ersten Blick so sozialistischen Idee gefallen finden. Aber vielleicht hat ja noch jemand anders mal genau hingeschaut.

RE: BGE 2007-05-13 20:20
Wulf
(Zitate sind sinngemäß und entsprechen nicht den Standards des Zitierens!)

Zunächst, was hält die Reichen davon ab in ein anderes Land abzuwandern? Die Steuerlast erhöht sich nämlich für sie empfindlich, das geben auch die Autoren zu.
Reich im Sinne von hohem Einkommen, was in Deutschland verdient wird? Auswandern würde doch nur helfen, wenn man in einem anderen Staat Arbeit findet wo man dann am Ende mehr Geld hat. Klar, ein paar solcher Fälle könnte es geben, aber imho vernachlässigbar. Ich zumindest lebe gern in Deutschland.

Wieso sollten neue Arbeitsplätze geschaffen werden? Positive Beschäftigungseffekte im Nierdriglohnbereich, Kleine Jobs werden nicht angenommen, weil man auch so davon leben kann
Natürlich entstehen neue Arbeitsplätze. Wer heute vom Staat lebt überlegt es sich gut, einen schlecht bezahlten Job anzunehmen, weil er dadurch nicht selten am Ende weniger Geld in der Tasche hat. Aber mit dem BGE hat man mehr Geld, wenn man arbeiten geht. Und wenn man nicht so viel Geld zusätzlich will, geht man halt nur teilzeit arbeiten. Auch heute kann man vom Staat leben, trotzdem arbeiten viele. Gibt keinen Grund, warum man mit dem BGE dann nicht mehr arbeiten sollte.

Ferner brauchen die Firmen nicht mehr Löhne zu zahlen, von denen man auch leben könnte. Sie entziehen sich der sozialen Verantwortung.
Müssen sie auch nicht, denn man lebt vom BGE und nutzt die Löhne für das was man mehr will (Luxus). Vielleicht entsteht eher noch eine Art Konkurrenz unter den Firmen. Die müssen halt genug zahlen, damit sie die Leute kriegen, die auf Arbeit nicht angewiesen sind.

stimulierende Funktion
Mehr Jobs, weniger Arbeitslose. Denke schon dass das die Wirtschaft stimuliert.

Rückgang der Schwarzarbeit, es wird schwarz gearbeitet, um der ansetzenden herben Flattax zu entkommen
Und wenn man Schwarzarbeit verbietet und verfolgt? Achnee, das ist ja schon so und klappt nicht.
Es gibt imho zwei Klassen von Schwarzarbeitern: Offiziell Arbeitslose und solche mit Arbeit. Erste arbeiten schwarz, damit sie weiterhin Geld vom Staat kriegen. Das dürfte sich mit dem BGE deutlich reduzieren. Letztere gehe ich auch davon aus, dass die weiterhin nebenbei was verdienen wollen.

Renten und Pensionsansprüche
Schwieriges Thema. Es würde funktionieren, wenn man sich mit dem BGE im Alter zufrieden gibt und für den zusätzlichen Luxus rechtzeitig privat vorsorgt (private Rentenversicherung). Problematisch ist es, dass die, die ihr Leben lang viel in die Rentenkasse eingezahlt haben, davon nichts haben und vor Gericht ziehen.

progressive Steuerlast eine glatte Lüge, hohe Flattax mit Freibetrag in Höhe des BGE
Freibetrag ist imho das falsche Wort. Und wo wird hier gelogen? Flattax liegt bei 61%, die Nettobelastung nähert sich bei steigendem Einkommen diesen 61%. Ich bin mir nicht sicher, wieviel Abgaben man heute bei 5000 EUR/Monat hat, aber 45% könnten es etwa sein. Gut, wer 40,000 Brutto hat, hat dann 59% Abgaben, der hat dann vermutlich einen hohen Verlust. Aber wie viele Leute haben schon ein Einkommen > 10,000 EUR? Die Leute interessieren mich nicht, denen wird's weiterhin gut genug gehen. Sollte ich mal selbst dazugehören würde es mich auch nicht stören.

warum die Handwerkskammer sowas durchgehen lässt
Vielleicht ist das System nicht so unrealistisch wie du glaubst?


Auf den ersten Blick finde ich die Idee eines BGE sehr gut. Sorgen mach ich mir eigentlich nur über die Finanzierbarkeit und darüber, dass es wenigen Leuten mit viel Einfluss schlechter (Im Sinne von nur noch alle 13 Monate ein neues Auto) dadurch gehen wird.
Wie auch immer: Ich bin Informatiker und kein Volkswirtschaftler. Ich könnte mir vorstellen, dass so ein System funktioniert, aber wissen tu ich's nicht.

RE: BGE 2007-05-13 21:15
mezzomix
Nein, hier gehts nicht um die "Bergedorf-Geesthachter Eisenbahn"

Och, schade [15]

RE: BGE 2007-05-13 21:46
Anonymer User
Unser Forenanarchist hat folgenden Link gepostert:
Straubhaar: “Das Grundeinkommen in Deutschland ist volkswirtschaftlich effizient und finanzierbar.” HWWI, 2007.

In diesem Link werden mehrere völlig unbelegte Behauptungen aufgestellt, die aber zentral für den Erfolg oder eben Misserfolg des Konzeptes sind. Ich zitiere:

Man sollte dazu anmerken, dass der gute Herr Straubhaar Professor für Wirtschaftswissenschaften hier an der Uni Hamburg ist, Vorsitzender des Hamburger Welt-Wirtschafts-Instituts, einer weltweit recht renommierten rechten Kapitalistengruppe, und insofern zum Einen recht viel Ahnung von dem Thema hat, und zum Anderen nicht unbedingt zu den bösen linken sozialromantikern gehört. Außerdem sollte man erwähnen, dass das die Pressemitteilung zu einer größeren Studie ist, in der (angeblich, ich hab' sie nicht gelesen) die ganzen angedeuteten Berechnungen ausgeführt sind. Selbige Studie müsste sich für Interessierte in der Bibliothek finden lassen.

Ersteres hebe ich so hervor, um dem typischen "das ist doch alles linke Träumerei" vorzubeugen - nicht, dass das hier bisher aufgetreten ist, aber es kommt eigentlich bei jeder Debatte um das BGE. Daher hatte ich auch genau diese Studie zitiert, weil die eben nicht aus dem "typisch linken Lager" kommt. Letzteres hebe ich so hervor, weil hier von "unbelegten Behauptungen" gesprochen wird, und man das hier wirklich nicht sagen kann.

was hält die Reichen davon ab in ein anderes Land abzuwandern?

Niemand. Wie jetzt auch nicht. Wieso finanzieren "die Reichen" denn die ganzen Hartz IV-Empfänger? Genaugenommen tun sie das ja nicht, einige fliehen vor den Steuern ja ins Ausland. Das würde auch weiterhin passieren. Die enormen Vorteile des "schlankeren Staates" und der wesentlich einfacheren Steuererklärung, auch von Unternehmensseite aus, machen das Ganze aber durchaus wieder attraktiv.

Man muss allerdings sagen, dass die Einkommenssteuer nicht die einzige vorgeschlagene Lösung für die Finanzierung ist, obwohl sie einige Vorteile bietet (einfache Besteuerung - sowohl "einfach" wie "simpel" als auch "einfach" wie "nicht doppelt" u.ä.). Der DM-Chef liebt die Finanzierungsidee über die Mehrwertsteuer, die es sogar hochgrad attraktiv machen würde, in Deutschland zu produzieren. Ob das schön ist, darüber kann man sich streiten.

Das Problem, das du ansprichst, ist jedoch immer das Gleiche, wenn es um Geldumverteilung geht. Geld kann nur von reich nach arm umverteilt werden, und wenn man befürchtet, dass die Reichen verschwinden, muss man weniger umverteilen. Wenn die "Steuerflucht" zu groß ist, muss man eben gegenregulieren (und dazu hat man verschiedene Möglichkeiten). Das lässt sich aber nur ganz schlecht vorhersagen.

Wieso sollten neue Arbeitsplätze geschaffen werden?

Der Niedriglohnsektor wird ganz groß werden, weil viele Leute nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen, und die ganzen gesetzlichen Regelungen für Kündigungsfristen etc. entschärft werden können. Insofern dürften sowohl neue Jobs entstehen, als auch das bisherige Jobangebot etwas besser verteilt werden.

Die progressive Steuerlast beim Vorgestellten Konzept ist eine glatte Lüge und diese Lüge wird in der Statistik geschickt maskiert. Dabei wird die Wahrheit im Text erwähnt. Es ist eine hohe bis sehr hohe Flattax mit Freibetrag in Höhe des BGE.

Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber das Konzept war doch eine Negative Income Tax, oder? Insofern also kein Freibetrag im üblichen Sinne. Aber ja, die Flattax-Leute reden gerne über "progressive" Steuerlast, weil man ja bei gleichem Prozentwert mit mehr Geld mehr zahlt. Frag mich nicht, komische Jungs, das. Ob der Betrag "hoch bis sehr hoch" ist, weiß ich nicht. Das Steueraufkommen zur Zeit ist jedenfalls nicht viel niedriger.

Kleine Jobs werden nicht angenommen, weil man auch so davon leben kann oder es wird schwarz gearbeitet, um der ansetzenden herben Flattax zu entkommen.

Es etzt eben keine "herbe Flattax" plötzlich an. Egal wie wenig man arbeitet, man erhält immer mehr Geld, als man ohne diese Arbeit erhalten hat (ganz anders als dies zur Zeit der Fall ist!). Ansonsten, zu den Begünstigungen der kleinen Jobs, siehe oben.

Ferner brauchen die Firmen nicht mehr Löhne zu zahlen, von denen man auch leben könnte. Sie entziehen sich der sozialen Verantwortung.

Huch. Das Argument kommt 1:1 aus der Direkten Aktion (die Anarchosyndikalisten der FAU finden das BGE auch doof). Hätte ich nach dem Rest deiner Argumentation nicht erwartet :-)

Dem würde ich übrigens nicht zustimmen, die Unternehmen zahlen ja über die Einkommenssteuer ihren Anteil. Und, wie BWLer ja immer wieder gerne zeigen, werden die Kosten der Unternehmen sowieso immer an den Verbraucher weitergegeben, insofern drücken sich Unternehmen immer, allein aus marktwirtschaftlichen Überlegungen heraus, um ihre "soziale Verantwortung." Das Geld beschreibt einen Kreislauf, und irgendwo muss das Geld herkommen, damit Menschen überleben können.

Außerdem frage ich mich, warum ausgerechnet die von Liste Links und Co. so viel gescholtene Handwerkskammer sowas durchgehen lässt und warum die bösen neoliberalen Parteien plötzlich Interesse an dieser auf den ersten Blick so sozialistischen Idee gefallen finden. Aber vielleicht hat ja noch jemand anders mal genau hingeschaut.

Oh, die Wirtschaftsfuzzies finden die Idee toll, weil man damit die dummen Lohnnebenkosten drücken kann und den Arbeitsmarkt endlich "flexibilisieren" kann, beides Dinge, die man schon lange dringend möchte. Die Idee der "Negative Income Tax" findet sich übrigens schon bei Friedman, und der war auch nicht gerade Sozialist. Für mich (als Sozialist ;-)) ist das BGE eine Lösung, um innerhalb des aktuellen Systems eine lebens-würdige Lösung zu bieten, mehr nicht. Mal sehen, ob das was wird.


Das größte "Problem," das ich beim BGE sehe, ist eine Umverteilung. Wer macht schon gerne Scheiß-Jobs (Müllmann, Kanalarbeiter, etc.), wenn er auch einfach vom BGE leben könnte? Da wird sich einiges ändern, denke ich, und die Firmen, die solche Scheiß-Jobs anbieten, werden ihre Mitarbeiter mit anderen Begünstigungen ködern müssen (mehr Einkommen, evtl. andere Vergünstigungen, Swimmingpool samt Firmenmasseur oder so). Das halte ich zwar für eine sozial durchaus interessante Lösung, aber es wäre eine massive Umstellung zu der relativ massiven Ausbeuterei zur Zeit, und könnte in der Umstellungsphase durchaus zu Engpässen führen.

Im medizinisch-sozialen Bereich sehe ich allerdings eher positiv. Zum Beispiel wird der gesamte Rettungsdienst in Deutschland eh zu großen Teilen ehrenamtlich geleistet, da könnte es sich sogar verbessern, wenn die die zumindest etwas Geld kriegen können (bzw. die, die das wirklich gerne machen, nicht noch nebenbei was arbeiten müssen, damit sie überleben können).

Alles in Allem würde ich sagen, dass ein BGE einige ändern würde, und ob das am Ende gesellschaftlich viel besser aussieht, oder richtig Mist wird, ist nur sehr schwer vorherzusagen. Ich würde es aber probieren wollen, denn es sieht für mich eher danach aus, als ob es zumindest ganz erträglich wird, während das, was wir zur Zeit haben, eher danach aussieht, als ob das in relativ naher Zukunft eher ganz gewaltiger Mist wird.

Anarch

RE: BGE 2007-05-13 22:24
Anonymer User
Reich im Sinne von hohem Einkommen, was in Deutschland verdient wird? Auswandern würde doch nur helfen, wenn man in einem anderen Staat Arbeit findet wo man dann am Ende mehr Geld hat. Klar, ein paar solcher Fälle könnte es geben, aber imho vernachlässigbar. Ich zumindest lebe gern in Deutschland.
Das sind aber vorglobalisierungszeitliche Vorstellungen. ;-) Bei vielen Reichen kommt es nicht drauf an wo sie sitzen, damit sie ihrer "Arbeit" nachgehen können. Sie sind eben keine abhängig Beschäftigten oder Angestellten sondern spekulieren z.B. an der Börse.

Natürlich entstehen neue Arbeitsplätze. Wer heute vom Staat lebt überlegt es sich gut, einen schlecht bezahlten Job anzunehmen, weil er dadurch nicht selten am Ende weniger Geld in der Tasche hat. Aber mit dem BGE hat man mehr Geld, wenn man arbeiten geht. Und wenn man nicht so viel Geld zusätzlich will, geht man halt nur teilzeit arbeiten. Auch heute kann man vom Staat leben, trotzdem arbeiten viele. Gibt keinen Grund, warum man mit dem BGE dann nicht mehr arbeiten sollte.
Heutzutage arbeiten trotzdem viele, weil die neoliberalen Reformen alles dafür tun. Bis hin zum Arbeitsdienst. Plus die gesellschaftliche Druckkulisse durch entsprechende Berichterstattung.

Müssen sie auch nicht, denn man lebt vom BGE und nutzt die Löhne für das was man mehr will (Luxus). Vielleicht entsteht eher noch eine Art Konkurrenz unter den Firmen. Die müssen halt genug zahlen, damit sie die Leute kriegen, die auf Arbeit nicht angewiesen sind.
Dann kann es aber passieren, dass unrentable Beschäftigungsfelder wegfallen und Probleme auftreten, weil es Arbeit geben kann, die nicht gerne gemacht wird, wo es sich aber auch nicht lohnt mehr zu zahlen.

Schwieriges Thema. Es würde funktionieren, wenn man sich mit dem BGE im Alter zufrieden gibt und für den zusätzlichen Luxus rechtzeitig privat vorsorgt (private Rentenversicherung). Problematisch ist es, dass die, die ihr Leben lang viel in die Rentenkasse eingezahlt haben, davon nichts haben und vor Gericht ziehen.
Eben.

Freibetrag ist imho das falsche Wort. Und wo wird hier gelogen? Flattax liegt bei 61%, die Nettobelastung nähert sich bei steigendem Einkommen diesen 61%. Ich bin mir nicht sicher, wieviel Abgaben man heute bei 5000 EUR/Monat hat, aber 45% könnten es etwa sein. Gut, wer 40,000 Brutto hat, hat dann 59% Abgaben, der hat dann vermutlich einen hohen Verlust. Aber wie viele Leute haben schon ein Einkommen > 10,000 EUR? Die Leute interessieren mich nicht, denen wird's weiterhin gut genug gehen. Sollte ich mal selbst dazugehören würde es mich auch nicht stören.
Dich interessieren sie natürlich erst dann, wenn die Finanzierung zusammenbricht, weil sie keine 60% abknüpfen wollen. Denk an den aktuellen Spitzensteuersatz plus die ganzen Abschreibungsmöglichkeiten!

Vielleicht ist das System nicht so unrealistisch wie du glaubst?
Das ist doch gar nicht der Punkt. Es gehört zum guten Ton genau hinzuschauen, wenn der Feind etwas unterstützt, was man auf den ersten Blick auch gut findet. ;-)

RE: BGE 2007-05-13 22:36
Anonymer User
Niemand. Wie jetzt auch nicht. Wieso finanzieren "die Reichen" denn die ganzen Hartz IV-Empfänger? Genaugenommen tun sie das ja nicht, einige fliehen vor den Steuern ja ins Ausland. Das würde auch weiterhin passieren. Die enormen Vorteile des "schlankeren Staates" und der wesentlich einfacheren Steuererklärung, auch von Unternehmensseite aus, machen das Ganze aber durchaus wieder attraktiv.

Man muss allerdings sagen, dass die Einkommenssteuer nicht die einzige vorgeschlagene Lösung für die Finanzierung ist, obwohl sie einige Vorteile bietet (einfache Besteuerung - sowohl "einfach" wie "simpel" als auch "einfach" wie "nicht doppelt" u.ä.). Der DM-Chef liebt die Finanzierungsidee über die Mehrwertsteuer, die es sogar hochgrad attraktiv machen würde, in Deutschland zu produzieren. Ob das schön ist, darüber kann man sich streiten.

Das Problem, das du ansprichst, ist jedoch immer das Gleiche, wenn es um Geldumverteilung geht. Geld kann nur von reich nach arm umverteilt werden, und wenn man befürchtet, dass die Reichen verschwinden, muss man weniger umverteilen. Wenn die "Steuerflucht" zu groß ist, muss man eben gegenregulieren (und dazu hat man verschiedene Möglichkeiten). Das lässt sich aber nur ganz schlecht vorhersagen.
Richtig. Qualitativ lässt sich aber sehr leicht eine Aussage machen. Bei einer höheren Belastung hauen auch mehr von den "Eliten" ab. Und 60% wären eine deutlich höhere Belastung als jetzt.
Ob es dann tatsächlich die kritische Masse erreichen würde kann man in der Tat nicht genau sagen. Aber vielleicht wäre es nicht verkehrt das System wenn schon, dann gleich breitflächig in vielen Erste Welt Ländern einzuführen? Bei gleicher Finanzierung durch die Flattax wird das dann nichts mehr mit Abhauen. Ich meine jetzt nicht dich, aber irgendwie scheinen viele Leute gar nicht zu begreifen, welche massiven Einbußen in der Handlungsfähigkeit die alten Nationen durch die Globalisierung hinnehmen mussten. Heute lässt sich nur international was richtig Großes auf die Beine stellen.

Korrigiere mich, wenn ich falsch liege, aber das Konzept war doch eine Negative Income Tax, oder? Insofern also kein Freibetrag im üblichen Sinne. Aber ja, die Flattax-Leute reden gerne über "progressive" Steuerlast, weil man ja bei gleichem Prozentwert mit mehr Geld mehr zahlt. Frag mich nicht, komische Jungs, das. Ob der Betrag "hoch bis sehr hoch" ist, weiß ich nicht. Das Steueraufkommen zur Zeit ist jedenfalls nicht viel niedriger.
Ja, da habe ich was durcheinander bekommen.
Und nein, bei den höheren Einkommen ist die Belastung aktuell eine ganze Ecke niedriger.

Das größte "Problem," das ich beim BGE sehe, ist eine Umverteilung. Wer macht schon gerne Scheiß-Jobs (Müllmann, Kanalarbeiter, etc.), wenn er auch einfach vom BGE leben könnte? Da wird sich einiges ändern, denke ich, und die Firmen, die solche Scheiß-Jobs anbieten, werden ihre Mitarbeiter mit anderen Begünstigungen ködern müssen (mehr Einkommen, evtl. andere Vergünstigungen, Swimmingpool samt Firmenmasseur oder so). Das halte ich zwar für eine sozial durchaus interessante Lösung, aber es wäre eine massive Umstellung zu der relativ massiven Ausbeuterei zur Zeit, und könnte in der Umstellungsphase durchaus zu Engpässen führen.
Genau die Umstellungsphase ist auch besonders kritisch an der Sache. Neben dem von dir angesprochenen Problem hätte man eine enorme Mehrfachbelastung der Staatskasse, weil der Staat die alten Renten und Pensionsansprüche erfüllen muss und weil er nicht einfach so die unzähligen überflüssig gewordenen Beamten rausschmeißen kann.

Alles in Allem würde ich sagen, dass ein BGE einige ändern würde, und ob das am Ende gesellschaftlich viel besser aussieht, oder richtig Mist wird, ist nur sehr schwer vorherzusagen. Ich würde es aber probieren wollen, denn es sieht für mich eher danach aus, als ob es zumindest ganz erträglich wird, während das, was wir zur Zeit haben, eher danach aussieht, als ob das in relativ naher Zukunft eher ganz gewaltiger Mist wird.
Das klingt aber ziemlich negativ. Wie müsste es sein, damit es nicht einfach ganz erträglich, sondern richtig schön wird? Oder geht es in diesem System für dich nicht? :-)

RE: BGE 2007-05-13 23:35
Wulf
Zum Problem der unbeliebten Jobs die dann keiner mehr machen würde: Ausländer die nach Deutschland kommen kriegen die ersten Jahre nicht genug zum leben, vielleicht haben die mit solchen jobs weniger probleme? Oder man setzt die überflüssigen Beamten dazu ein.

RE: BGE 2007-05-13 23:50
Anonymer User
Zu dem Posting oben: Ob heutzutage viele arbeiten, weil ihnen ja so böse Drohungen gemacht werden, und ob mit einem BGE die Leute gar nicht arbeiten, oder doch nur einfach etwas weniger (dafür viele jetzt-Arbeitslose etwas mehr), weiß ich nicht. Kategorisch eine Seite zu nehmen und zu sagen: Das wird passieren, halte ich für etwas vorschnell. Es gibt durchaus Argumente und Beobachtungen für beide Seiten.

Ich meine jetzt nicht dich, aber irgendwie scheinen viele Leute gar nicht zu begreifen, welche massiven Einbußen in der Handlungsfähigkeit die alten Nationen durch die Globalisierung hinnehmen mussten. Heute lässt sich nur international was richtig Großes auf die Beine stellen.

Gerade deswegen fand ich die MWSt-Lösung ganz interessant: Es wird nämlich plötzlich sehr billig in diesem Land zu produzieren. Import wird teuer (weil MWSt noch zu den hohen Lohnnebenkosten der anderen Länder anfällt), Export kann die gleiche MWSt bekommen, und plötzlich hat man ein Land, das konkurrenzhaft günstig produzieren kann. Wenn man Werner (dem DM-Typen) glaubt, dann wird das konkurrenzgesetzmäßig andere Länder überzeugen, weil sie sonst nicht mehr "mithalten" können. Das ist recht global gedacht. (Lustiges Interview dazu, ich hatte mal ein besseres, aber hab die URL nicht mehr :-/)

Genau die Umstellungsphase ist auch besonders kritisch an der Sache. Neben dem von dir angesprochenen Problem hätte man eine enorme Mehrfachbelastung der Staatskasse, weil der Staat die alten Renten und Pensionsansprüche erfüllen muss und weil er nicht einfach so die unzähligen überflüssig gewordenen Beamten rausschmeißen kann.

Letzteres ist ein echtes Problem, ja. Aber eventuell lässt sich da eine "langsame Umstellung" machen. Irgendwas muss passieren, onst kommen wir da nie von weg.

Das klingt aber ziemlich negativ. Wie müsste es sein, damit es nicht einfach ganz erträglich, sondern richtig schön wird? Oder geht es in diesem System für dich nicht? :-)

Oh, ich bin eine ganze Menge von -isten und -ismen. Anti-Kapitalist zum Beispiel. Anarchist, Sozialist, eventuell Kommunist (aber kein Marxist). Wie meine Idealwelt aussieht (bzw. aussehen könnte) ist keine einfach zu beantwortende Frage, und das liegt nicht einfach nur an meiner Vorstellungskraft. http://www.anarchistfaq.org/ hat einige sehr schöne Texte zu dem Thema, aber ist recht viel zu lesen.

Das ist aber der "ganz weite Blick".

Hier, in diesem Thread, bin ich aber kein Anarchist, kein Anti-Kapitalist, etc. Ich vertrete die Ansicht, dass dieses System, das wir haben, nunmal da ist, und wir irgendwie damit leben müssen. Eben ein sehr kurzer Blick: Wie können wir die aktuelle Situation verbessern? Und da finde ich das BGE einen interessanten Lösungsansatz.

RE: BGE 2007-05-14 01:55
Anonymer User
Gerade deswegen fand ich die MWSt-Lösung ganz interessant: Es wird nämlich plötzlich sehr billig in diesem Land zu produzieren. Import wird teuer (weil MWSt noch zu den hohen Lohnnebenkosten der anderen Länder anfällt), Export kann die gleiche MWSt bekommen, und plötzlich hat man ein Land, das konkurrenzhaft günstig produzieren kann. Wenn man Werner (dem DM-Typen) glaubt, dann wird das konkurrenzgesetzmäßig andere Länder überzeugen, weil sie sonst nicht mehr "mithalten" können. Das ist recht global gedacht. (Lustiges Interview dazu, ich hatte mal ein besseres, aber hab die URL nicht mehr :-/)
Das ist ein gutes Argument dafür. Leider kommt dieses Finanzierungskonzept aber den Reichen zugute und ist für die Armen ein Nachteil. Denn je reicher man ist, desto weniger Konsumiert man und desto mehr investiert man. Konsumsteuern belasten die wirtschaftlich schwächeren Schichten nachweislich mehr.

RE: BGE 2007-05-14 02:03
Anonymer User
Konsumsteuern belasten die wirtschaftlich schwächeren Schichten nachweislich mehr.

Stimmt. Deswegen kann es ja auch überhaupt nur als Argument dienen, dass "die Reichen" dann "im Land" bleiben. Ich befürchte nur, dass man es innerhalb dieses Systems nicht anders hinbekommt, als dass man "den Reichen" irgendwas bietet. Solange das Grundeinkommen wirklich Bedarfsdeckend ist - also wirklich ein Mindesmaß an Gütern finanziert - ist das Problem auch in meinen Augen verschmerzbar. Und eventuell kommt ja auch dieser Anreiz an Investitionen wieder allen zu Gute (obwohl ich daran eher nicht glaube).