Hamabla über Studiengebühren
2007-04-12 20:48
T
nordstreik mailinglist sagt:
(edit fal: Topictitel)
Studiengebühren
Was faul ist an der Hochschule - eine Analyse
Werden Studenten abgezockt?
Pro Semester 500 Euro. Doch mit der Gegenleistung sieht es schlecht aus.
Von Andreas Matz, Mark Hübner-Weinhold
Am vergangenen Montag begann an der Hamburger Universität das Sommersemester. Für Studenten eine neue Zeitrechnung, denn sie müssen kräftig zahlen. Zum Semesterbeitrag von 250 Euro kommen in Hamburg noch 500 Euro Gebühren hinzu - ebenso wie in Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg und an den meisten Hochschulen in Nordrhein-Westfalen.
Die Proteste der jungen Nachwuchsakademiker halten sich in Grenzen. Erstaunlich, denn die Campus-Maut zementiert eine soziale Spaltung beim Zugang zu Bildung. "Studiengebühren schrecken junge Leute aus ärmeren Familien ab", sagt Jürgen Zöllner (SPD), Berliner Bildungssenator und amtierender Präsident der Kultusministerkonferenz. Tatsächlich meldete die Uni Köln bereits einen Rückgang der Studierendenzahlen um 5000, die Uni Bonn sogar um 7500.
"Wer im neuen Golf GTI am Audimax vorfährt, den stören die 1000 Euro zusätzlich im Jahr nicht", erklärt Dr. Karl Bosshard von der Managementberatung Kienbaum. "Wie aber sollen die Gebühren von Familien mit niedrigem Einkommen bezahlt werden, vor allem, wenn womöglich zwei oder drei Kinder studieren möchten?", fragt der Hochschulexperte.
Der parteilose Hamburger Wissenschaftssenator Jörg Dräger hat für solche Fälle ein Darlehen zu maximal 7,5 Prozent Zinsen organisiert. Damit wäre für den sozialen Ausgleich gesorgt, meint er. So einfach kann Politik sein.
Die Königsdisziplin deutscher Politiker, das Schulden machen, ist damit als Lektion bei den Studenten angekommen. Bevor ihr Berufsleben überhaupt anfängt, sind manche hoch verschuldet. Denn neben den Studiengebühren fallen gestiegene Lebenshaltungskosten an. Und durch die Straffung der Studiengänge im Zuge der Umstellung auf Bachelor und Master können viele Studenten nebenher kaum noch jobben.
Gleichzeitig braucht die Wirtschaft mehr akademischen Nachwuchs. Und Politiker möchten die Geburtenrate steigern. "Die Studiengebühren sind volkswirtschaftlich völlig kontraproduktiv", sagt Kienbaum-Berater Bosshard: "Ihre Einführung offenbart den bildungspolitischen Notstand in unserem Land."
Erstaunlich wenig hört man aus der Professorenschaft zu diesem Thema. Kein Wunder, hoffen doch viele, dass die Gebühren der Studenten ihren Instituten zugute kommt. Kritiker wie KMK-Präsident Zöllner glauben allerdings nicht, dass die Hochschulen das Geld sinnvoll einsetzen können. Mit anderen Worten: Die Studenten werden in den meisten Fällen für ihre Gebühren kein besseres Lehrangebot, keine bessere Betreuung und keine bessere Ausstattung ihrer Hochschulen bekommen.
Ein weiteres Argument wird von Befürwortern der Gebühren gern ins Feld geführt: Die Studenten würden den Wert ihres Studiums besser schätzen lernen, wenn sie dafür bezahlen müssen.
Doch mit dem Wert der Ausbildung ist das so eine Sache. Das Verfahren zur Wertermittlung der Lehrleistung eines Professors heißt Evaluierung. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass Studenten die Lehrveranstaltungen ihres Professors bewerten. Doch dieses Feedback, in der deutschen Wirtschaft längst Standard, lehnen viele Professoren ab. Auf der Website MeinProf.de mit können Studenten Lehrveranstaltungen bewerten - zum Unmut vieler Hochschullehrer. So wurde der Betreiber der Website vom Datenschutzbeauftragten der RWTH Aachen, Hans Görtz, per E-Mail zur Löschung derjenigen Aachener Professoren aufgefordert, die sich nicht mittels Einwilligung auf der Internetseite haben registrieren lassen. Mit dem albernen Verweis auf den Datenschutz gelingt es dem professoralen Establishment auch an der Universität Hamburg, sich einer flächendeckenden, systematischen Leistungsbewertung in der akademischen Lehre zu entziehen.
Pro Semester 500 Euro. Doch mit der Gegenleistung sieht es schlecht aus.
Das sieht das deutsche Beamtenrecht auch nicht vor. Mit der Berufung auf einen Lehrstuhl unterrichtet ein Professor im Semester acht Stunden pro Woche und hat praktisch ausgesorgt bis ans Lebensende. Egal, ob er pflichtvergessen eine ruhige Kugel schiebt oder sich fleißig der Forschung und Lehre hingibt - in der Besoldung macht das keinen Unterschied.
Doch neben der Qualität der Lehre gibt es noch ein weiteres Problem. Die Studentenvertretung AStA stellte fest, daß es eine Unterdeckung an Lehrveranstaltungen gibt. Unter Umständen kann ein Student also sein Studium gar nicht in der Regelzeit beenden, weil die Uni zu wenig Kurse und Seminare anbietet. Dieses Problem wolle man unbedingt in den Griff bekommen, beteuert Uni-Sprecherin Viola Griehl. Das Geld aus den Studiengebühren solle dabei helfen.
Ein weiteres Beispiel: Für die zusätzliche Fremdsprachenausbildung von Studenten aller Fachbereiche gibt es 2300 Kursplätze - bei mehr als 38 000 Studierenden an der Uni Hamburg. Auch der Mitte März als Sofortmaßnahme angekündigte Aufbau eines Fachsprachenzentrums greift, das wird auf Nachfrage bei Uni-Vizepräsident Holger Fischer klar, erst im Wintersemester 2007/08.
Klar ist also derzeit nur: Die Studenten müssen Verbesserungen in der Qualität der Lehre jetzt vorfinanzieren - ohne konkret messbare Ziele oder Ergebnisse. Sie tragen aber ganz allein das Risiko, trotz Gebühren in überfüllten Veranstaltungen zu sitzen, keinen Platz im Seminar zu bekommen oder von ihrem Professor schlecht betreut zu werden. Ob das Geld die Probleme der Uni heilt, ist jedoch sehr fraglich. Um es klar zu sagen: Die Wirtschaft saniert genau andersherum. Dort werden erst die Strukturen angepasst und eine effiziente Organisationsform geschaffen. Danach folgen die Investitionen.
erschienen am 7. April 2007
(edit fal: Topictitel)