Pressemitteilung: Soziale Ausgrenzung per Anordnung
2006-12-20 11:51
Newton
Arne hat in Mafia eine Pressemitteilung von Bela Rogalla (akademischer Senat) rumgeschickt, die ich sehr mitteilenswert finde. (Auf der ASTA-Seite steht die bisher noch nicht… wo soll/ist die aufgetaucht?):
PRESSEMITTEILUNG
aus der Mitte des Akademischen Senats der Universität Hamburg
Hamburg, den 20.12.2006
Soziale Ausgrenzung per Anordnung
Wissenschaftssenator Dräger verbietet allen Hamburger Hochschulen,
soziale Härtefallgründe zur Befreiung von Studiengebühren anzuerkennen.
Der Präses der Wissenschaftsbehörde, Senator Jörg Dräger, will nach
Informationen der Universität Hamburg noch vor Heiligabend eine
Verwaltungsanordnung für alle Hamburger Hochschulen erlassen, mit der
die Hochschulen gezwungen werden, ab dem Sommersemester 2007
individuelle Härtefallanträge zur Befreiung von Studiengebühren, die
Studierende aus sozialen Gründen beantragen, abzulehnen.
Der Streit zwischen der Universität Hamburg und der Wissenschaftsbehörde
bezieht sich auf die Auslegung der Härtefallklausel des § 6 b Abs. 4 des
„Studienfinanzierungsgesetzes“, der den Hochschulen das Recht einräumt,
Studierenden die Studiengebühr in Höhe von 500,- Euro aus sozialen
Gründen zu erlassen. Nach dem „Studienfinanzierungsgesetz“ sollen
bereits im Sommersemester 2007 über 60.000 Studierende Studiengebühren
in Höhe von 1.000,- Euro pro Jahr zur Finanzierung der Hamburger
Hochschulen zahlen.
Sowohl der Wortlaut des Gesetzestextes, als auch die Begründung des
Studiengebührengesetzes sehen hinsichtlich der Härtefallklausel den
Rechtsbegriff der „unbilligen Härte“ bzw. der „sozialen Gründe“ vor.
Bereits vor dem Gesetzgebungsverfahren hatten die Interessenvertretungen
der Studierenden, die Hochschulen und die Opposition in der Bürgerschaft
eindringlich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
hingewiesen, welches die Länder auffordert, ihre Studiengebührengesetze
sozialverträglich auszugestalten.
Als Kläger gegen das Verbot von Studiengebühren vor dem
Bundesverfassungsgericht hatte der Wissenschaftssenator als Vertreter
der Antragsteller noch folgendermaßen für Studiengebühren argumentiert:
„Zwar könnten sich die Zugangschancen zu den Hochschulen in einzelnen
Ländern verschlechtern, wenn Studiengebühren aufgrund ihrer Höhe zu
einer sozialen Selektion der Studierenden führten; dies gelte aber nicht
bei sozial verträglichen und über Stipendienmodelle und
Befreiungsmöglichkeiten abgefederten Gebühren (…).“ (BVerfG, 2 BvF
1/03 vom 26.1.2005)
Bela Rogalla, Mitglied des Akademischen Senats: „Studiengebührengesetze,
die keine sozialen Gründe der Befreiung kennen, sind nicht
sozialverträglich, sondern verfassungswidrig. Der Senator missachtet mit
seiner Politik der Ausgrenzung nicht nur das Sozialstaatsgebot des
Grundgesetzes, sondern provoziert geradezu einen hervorragend zu
begründenden Gebührenboykott der Studierenden.“
Die Juristen in der Wissenschaftsbehörde und der Senator vertreten die
Auffassung, dass sich der Anwendungsbereich der Härtefallklausel nur auf
Langzeitstudierende, die die Regelstudienzeit um vier Semester
überschritten haben, sowie Studierende, die das 35. Lebensjahr vollendet
haben, und sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, erstreckt,
da alle anderen Studierenden sich bei einer Bank ihres Vertrauens mit
einem Darlehen verschulden sollen.
Dabei hatten sowohl der Senator, als auch der wissenschaftspolitische
Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Wolfgang Beuß, vor dem
Hintergrund der politischen Auseinandersetzung um Studiengebühren im
Gesetzgebungsverfahren stets betont, dass die Hochschulen Studierende
auch aus sozialen Gründen gemäß § 6 b Abs. 4 des
„Studienfinanzierungsgesetzes“ als Härtefälle befreien können. Der
Verweis auf die Landeshaushaltsordnung im Gesetzestext sei nur eine
„Orientierung“ für die Hochschulen, wie es in der Gesetzesbegründung
heißt, nach der die Stundung bzw. der Erlass der Gebühren erfolgen soll.
Nach der Verwaltungsanordnung der Wissenschaftsbehörde dürfen die
Hochschulen nur noch aus zwei sozialen Gründen Studierende gemäß § 6 b
Abs. 3 des „Studienfinanzierungsgesetz“ befreien: Studierende, die
entweder Kinder unter vierzehn Jahren haben oder eine Behinderung
nachweisen können.
Der Senator will damit verhindern, dass die Akademischen Senate der
Universität Hamburg und der HAW, die derzeit die
Studiengebührensatzungen diskutieren, weitere soziale Gründe definieren,
um ihren Studierenden die Gebühren zu erlassen.
Die studentischen Mitglieder im Akademischen Senat der Universität
hatten bereits das Präsidium aufgefordert, eine universitätsinterne
Verwaltungsvorschrift oder Dienstanweisung zur Auslegung des § 6 b Abs.
IV Studienfinanzierungsgesetz zu erarbeiten, die an die
Härtefallregelungen der bisherigen Studiengebührensatzungen der
Hamburger Hochschulen angelehnt und im Akademischen Senat beschlossen
werden sollte.
Auch beim Hochschulzugang können sich StudienplatzbewerberInnen nach dem
Hochschulzulassungsgesetz auf einen ganzen Katalog von gesundheitlichen,
familiären, wirtschaftlichen und sozialen Härtefällen beziehen, um eine
sofortige Zulassung in den Studiengängen zu beantragen. Diese sozialen
Gründe sollten als Mindeststandards für die Befreiung von
Studiengebühren herangezogen werden.
Der Hamburgische Gesetzgeber hat die Frage der Sozialverträglichkeit und
der sozialen Befreiungsgründe bis auf wenige Ausnahmen in das Belieben
der Hochschulen und ihrer Autonomie gestellt. Diese Hochschulautonomie
jetzt per Verwal-tungsanordnung restriktiv einzuschränken ist ein
Frechheit und Ausdruck der repressiven Sozialpolitik des Rechtssenats,
der trotz Steuermehreinnahmen in Höhe von 501 Millionen Euro mit der
Einführung von Studiengebühren die soziale Ausgrenzung zur Maxime seiner
Sozial- und Bildungspolitik erhoben hat.
Die studentischen Mitglieder des Akademischen Senats werden deshalb die
Studierenden auffordern, eine Vielzahl von Härtefallanträgen zu stellen
und vor den Verwaltungsgerichten zu klagen. Gleichzeitig rufen wir
Studierende und Gewerkschaften dazu auf, den Gebührenboykott an den
Hamburger Hochschulen solidarisch zu unterstützen.
PRESSEMITTEILUNG
aus der Mitte des Akademischen Senats der Universität Hamburg
Hamburg, den 20.12.2006
Soziale Ausgrenzung per Anordnung
Wissenschaftssenator Dräger verbietet allen Hamburger Hochschulen,
soziale Härtefallgründe zur Befreiung von Studiengebühren anzuerkennen.
Der Präses der Wissenschaftsbehörde, Senator Jörg Dräger, will nach
Informationen der Universität Hamburg noch vor Heiligabend eine
Verwaltungsanordnung für alle Hamburger Hochschulen erlassen, mit der
die Hochschulen gezwungen werden, ab dem Sommersemester 2007
individuelle Härtefallanträge zur Befreiung von Studiengebühren, die
Studierende aus sozialen Gründen beantragen, abzulehnen.
Der Streit zwischen der Universität Hamburg und der Wissenschaftsbehörde
bezieht sich auf die Auslegung der Härtefallklausel des § 6 b Abs. 4 des
„Studienfinanzierungsgesetzes“, der den Hochschulen das Recht einräumt,
Studierenden die Studiengebühr in Höhe von 500,- Euro aus sozialen
Gründen zu erlassen. Nach dem „Studienfinanzierungsgesetz“ sollen
bereits im Sommersemester 2007 über 60.000 Studierende Studiengebühren
in Höhe von 1.000,- Euro pro Jahr zur Finanzierung der Hamburger
Hochschulen zahlen.
Sowohl der Wortlaut des Gesetzestextes, als auch die Begründung des
Studiengebührengesetzes sehen hinsichtlich der Härtefallklausel den
Rechtsbegriff der „unbilligen Härte“ bzw. der „sozialen Gründe“ vor.
Bereits vor dem Gesetzgebungsverfahren hatten die Interessenvertretungen
der Studierenden, die Hochschulen und die Opposition in der Bürgerschaft
eindringlich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
hingewiesen, welches die Länder auffordert, ihre Studiengebührengesetze
sozialverträglich auszugestalten.
Als Kläger gegen das Verbot von Studiengebühren vor dem
Bundesverfassungsgericht hatte der Wissenschaftssenator als Vertreter
der Antragsteller noch folgendermaßen für Studiengebühren argumentiert:
„Zwar könnten sich die Zugangschancen zu den Hochschulen in einzelnen
Ländern verschlechtern, wenn Studiengebühren aufgrund ihrer Höhe zu
einer sozialen Selektion der Studierenden führten; dies gelte aber nicht
bei sozial verträglichen und über Stipendienmodelle und
Befreiungsmöglichkeiten abgefederten Gebühren (…).“ (BVerfG, 2 BvF
1/03 vom 26.1.2005)
Bela Rogalla, Mitglied des Akademischen Senats: „Studiengebührengesetze,
die keine sozialen Gründe der Befreiung kennen, sind nicht
sozialverträglich, sondern verfassungswidrig. Der Senator missachtet mit
seiner Politik der Ausgrenzung nicht nur das Sozialstaatsgebot des
Grundgesetzes, sondern provoziert geradezu einen hervorragend zu
begründenden Gebührenboykott der Studierenden.“
Die Juristen in der Wissenschaftsbehörde und der Senator vertreten die
Auffassung, dass sich der Anwendungsbereich der Härtefallklausel nur auf
Langzeitstudierende, die die Regelstudienzeit um vier Semester
überschritten haben, sowie Studierende, die das 35. Lebensjahr vollendet
haben, und sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, erstreckt,
da alle anderen Studierenden sich bei einer Bank ihres Vertrauens mit
einem Darlehen verschulden sollen.
Dabei hatten sowohl der Senator, als auch der wissenschaftspolitische
Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Wolfgang Beuß, vor dem
Hintergrund der politischen Auseinandersetzung um Studiengebühren im
Gesetzgebungsverfahren stets betont, dass die Hochschulen Studierende
auch aus sozialen Gründen gemäß § 6 b Abs. 4 des
„Studienfinanzierungsgesetzes“ als Härtefälle befreien können. Der
Verweis auf die Landeshaushaltsordnung im Gesetzestext sei nur eine
„Orientierung“ für die Hochschulen, wie es in der Gesetzesbegründung
heißt, nach der die Stundung bzw. der Erlass der Gebühren erfolgen soll.
Nach der Verwaltungsanordnung der Wissenschaftsbehörde dürfen die
Hochschulen nur noch aus zwei sozialen Gründen Studierende gemäß § 6 b
Abs. 3 des „Studienfinanzierungsgesetz“ befreien: Studierende, die
entweder Kinder unter vierzehn Jahren haben oder eine Behinderung
nachweisen können.
Der Senator will damit verhindern, dass die Akademischen Senate der
Universität Hamburg und der HAW, die derzeit die
Studiengebührensatzungen diskutieren, weitere soziale Gründe definieren,
um ihren Studierenden die Gebühren zu erlassen.
Die studentischen Mitglieder im Akademischen Senat der Universität
hatten bereits das Präsidium aufgefordert, eine universitätsinterne
Verwaltungsvorschrift oder Dienstanweisung zur Auslegung des § 6 b Abs.
IV Studienfinanzierungsgesetz zu erarbeiten, die an die
Härtefallregelungen der bisherigen Studiengebührensatzungen der
Hamburger Hochschulen angelehnt und im Akademischen Senat beschlossen
werden sollte.
Auch beim Hochschulzugang können sich StudienplatzbewerberInnen nach dem
Hochschulzulassungsgesetz auf einen ganzen Katalog von gesundheitlichen,
familiären, wirtschaftlichen und sozialen Härtefällen beziehen, um eine
sofortige Zulassung in den Studiengängen zu beantragen. Diese sozialen
Gründe sollten als Mindeststandards für die Befreiung von
Studiengebühren herangezogen werden.
Der Hamburgische Gesetzgeber hat die Frage der Sozialverträglichkeit und
der sozialen Befreiungsgründe bis auf wenige Ausnahmen in das Belieben
der Hochschulen und ihrer Autonomie gestellt. Diese Hochschulautonomie
jetzt per Verwal-tungsanordnung restriktiv einzuschränken ist ein
Frechheit und Ausdruck der repressiven Sozialpolitik des Rechtssenats,
der trotz Steuermehreinnahmen in Höhe von 501 Millionen Euro mit der
Einführung von Studiengebühren die soziale Ausgrenzung zur Maxime seiner
Sozial- und Bildungspolitik erhoben hat.
Die studentischen Mitglieder des Akademischen Senats werden deshalb die
Studierenden auffordern, eine Vielzahl von Härtefallanträgen zu stellen
und vor den Verwaltungsgerichten zu klagen. Gleichzeitig rufen wir
Studierende und Gewerkschaften dazu auf, den Gebührenboykott an den
Hamburger Hochschulen solidarisch zu unterstützen.